Doppelte Symbiose

Amselweibchen im Efeu

Im März raschelt es relativ oft zwischen den Efeublättern. Unsere Amseln lieben Obst, und nach dem Winterfrost scheinen die bläulichen Steinfrüchte endlich weich und reif genug.

Mit jedem Bissen nimmt die Amsel mehrere Samen auf, um sie an anderer Stelle wieder anzupflanzen. Es ist das Ende einer Geschichte, die ein halbes Jahr zuvor ihren Anfang nahm. Im September waren die Blüten des Efeus bei den Bestäubern genauso beliebt, wie es jetzt im Frühling die Früchte bei den Vögeln sind. Die folgenden Fotos habe ich im Herbst an der gleichen Stelle aufgenommen.

Pflanzen mussten im Laufe ihrer Evolution in verschiedenste Symbiosen investieren, um sich erfolgreich durchzusetzen. Der Efeu hat dabei einen eigenwilligen Zeitplan gewählt, um die Mitbewerber auszustechen. Sowohl seine Blüten als auch seine Früchte scheinen unwiderstehlich. Tatsächlich sind sie aber zu ihrer Jahreszeit fast konkurrenzlos. Im Herbst blüht er als einer der letzten, und frisches Obst ist zu Frühlingsbeginn eine Seltenheit. Die Amsel weiß den seltenen Leckerbissen zu schätzen und stopft eine Frucht nach der anderen in sich hinein. Auch sie hat ihre Konkurrenten, und nur wer zur rechten Zeit am rechten Ort ist, setzt sich durch und wird satt.

Hinzu kommt, dass der Efeu erst blüht und Früchte bildet, wenn er eine gewisse Größe erreicht hat. Sobald er an einem neuen Standort angekommen ist, bildet er lieber Ausläufer. Das ist die billigere Form sich zu vermehren, denn Symbiosen sind halt auch Beziehungen und folglich anstrengend.

Die kluge Biene baut vor

Biene auf Zwetschkenblüte

Kaum ein Insekt ist so eine beliebte Projektionsfläche für menschliche Eigenschaften wie die Honigbiene: Fleißig und selbstlos fliegt sie von Blüte zu Blüte, um mit ihrer Bestäuberleistung unsere Ernte zu sichern. Ganz nebenbei sammelt sie dabei Pollen und Nektar für ihre Nachkommen – und was übrig bleibt, dürfen wir uns zum Frühstück als Honig aufs Brot schmieren. Gut, dass die Bienen so fleißig sind.

Biene auf Zwetschkenblüte

Zur Zeit sind sie wieder unermüdlich im Obstgarten unterwegs. Dass sie dabei selbstlos handeln, ist aber nur eine Möglichkeit der Interpretation. Genauso gut könnte man sagen, sie sorgen für ihre zukünftigen Schwestern vor, wie die folgenden zwei Aufnahmen aus dem vergangenen Herbst zeigen.

Es ist ein hartnäckiges Gerücht, dass sich Bienen ausschließlich von Nektar und Pollen ernähren. Wenn im Herbst die reifen Zwetschken aufplatzen, sind fast mehr Bienen in den Bäumen als jetzt während der Blütephase. Bienen interessieren sich für fast alles, was Zucker enthält, sei es Nektar, Honigtau oder der Saft überreifer Früchte.

Vermenschlichende Attributszuweisungen wie fleißig oder vorausplanend sind in diesem Zusammenhang irreführend. Die Biene spult einfach nur ihre vorprogrammierte Nahrungsbeschaffungsroutine ab, wie sie das seit Millionen von Jahren tut. Dass sie uns dabei eine Projektionsfläche für unsere Interpretationen liefert, liegt an den komplexen Formen symbiotischen Zusammenlebens, wie sie im Laufe der Evolution entstanden sind. Und zu einem nicht geringen Teil hat auch der Mensch zu dieser Komplexität beigetragen, denn die Obstbäume in unserem Garten gäbe es ohne menschliche Zuchtauswahl genauso wenig wie die Honigbiene in ihrer heutigen Form.

Die vom Menschen angelegten Streuobstwiesen zählen zu den artenreichsten Landschaften, die wir in unseren Breiten haben. Auch kleinteilige Landwirtschaft mit abgrenzenden Hecken und Feldrainen bieten einer Vielzahl unterschiedlicher Arten Lebensraum. Es war irgendwie alles auf dem richtigen Weg, Schritt für Schritt wurde auf dem Weg der Evolution das symbiotische Zusammenleben immer komplexer – bis zu dem Zeitpunkt, wo irgendwer beschlossen hat, Ordnung zu machen. Seither ist innerhalb des Zauns ein akkurat geschnittener englischer Rasen und außerhalb ein Maisfeld.


Literaturtipp:

Johann Brandstetter, Josef H. Reichholf: Symbiosen. Das erstaunliche Miteinander in der Natur, Mathes & Seitz: Berlin 2016

Brandstetter/Reichholf: SymbiosenDie Beziehung zwischen Blütenpflanzen und ihren Bestäubern ist vielleicht die bekannteste Symbiose. Zahlreiche andere Beispiele über das Zusammenleben in der Natur bietet das Buch von Reichholf und Brandstetter. Die Texte des Biologen Reichholf orientieren sich dabei an Brandstetters Illustrationen und durch dieses Miteinander von Text und Bild gelingt eine nachhaltige Vermittlung des umfangreichen Themas. Eine ausführliche Rezension gemeinsam mit vielen anderen lesenswerten Buchbesprechungen findet sich auf dem Blog „Elementares Lesen“ von Petra Wiemann.

Wann etwas blüht

Winterjasmin

Der Winterjasmin blüht bei uns normalerweise im März, und die Blüten verblühen relativ schnell, sobald sie bestäubt sind. Nur manchmal, wenn es frühzeitig warm wird, blüht er bereits im Jänner. Kühlt es anschließend wieder ab, fehlt die Bestäubung und damit das Signal zum Verblühen. Dadurch entsteht die bizarre Erscheinung der gelben Blüten im Schnee, die dem Winterjasmin seinen Namen gegeben hat. In Wirklichkeit ist dieses Phänomen aber Resultat eines klimatischen Ausrutschers, die Regel ist das, zumindest bei uns, nicht. In den letzten Jahren hat unser Winterjasmin immer erst Mitte März mit der Blüte begonnen. Das Beitragsbild und das folgende Foto habe ich letztes Wochenende am 26. und 27. Oktober gemacht.

Winterjasmin

Es sind nur vereinzelte Blüten, aber sie treten an zwei verschiedenen Pflanzen auf, und es ist ziemlich sicher das erste Mal, dass unser Winterjasmin auch im Herbst blüht. An der Forsythie beobachte ich diese Erscheinung schon seit mehreren Jahren. Die folgende Aufnahme stammt vom 21. September, an diesem Tag war es bei uns so sommerlich, dass man im Gartenteich noch schwimmen konnte.

Forsythie

Im Phänologischen Kalender markiert die Forsythienblüte den Beginn des Erstfrühlings. Der hätte dann dieses Jahr direkt an den Spätsommer angeschlossen, wollte man dem Foto glauben. Da die Forsythien keinen Nektar bilden, sind sie für Insekten eher uninteressant, aber die Zahl der Pflanzen, die in letzter Zeit außerhalb der Reihe blühen, ließe sich beliebig erweitern. Sogar die Primeln blühen mittlerweile auch im Herbst.

Und wie werden sich die Bestäuber auf die geänderten Bedingungen einstellen? Vermutlich sehr rasch. Wildbienen, Schmetterlinge und Co haben mindestens eine Generation pro Jahr. Damit ist eine Anpassung an geänderte klimatische Bedingungen relativ einfach, und man sieht schon jetzt verschiedene Arten zu ungewöhnlichen Zeiten fliegen.

Mit unserem deutlich längeren Reproduktionszyklus fällt es uns dementsprechend schwerer, auf den Klimawandel zu reagieren. Wir müssen uns auf unsere Intelligenz und unsere Technik verlassen, um zu überleben, und gerade in diesen beiden Bereichen zeichnen wir uns gerade nicht besonders aus. Statt unsere Landwirtschaft und die Architektur unserer Städte zu überdenken, läuft auf allen Kanälen eine unglaubwürdige Werbekampagne der Politik und der Automobilwirtschaft für die Elektromobilität. Niemand versucht, unseren Lebensstil zu verändern. Stattdessen will man uns etwas verkaufen. Sogar die Pflanzen sind mit ihrer Reaktion schon mehrere Schritte weiter. In unserem Vorgarten blüht gerade der Winterjasmin.

Richtig und falsch

Es gibt kaum einen Bereich, wo es so schwer ist, herauszufinden, was richtig und was falsch ist, wie im Naturschutz. Und es gibt auch kaum einen Bereich, wo einem so viele Menschen erklären, was sie unzweifelhaft für richtig halten. Dabei kommt man in der Praxis sehr oft zum Schluss, dass es kaum ein Richtig und ein Falsch gibt, weil die Natur sowieso ihre eigenen Regulierungsmechanismen hat.

Neulich bin ich auf der sonst recht informativen Seite von WildBee.ch auf eine Pro- und Kontra-Liste zum Thema Nisthilfen gekommen. Man spricht sich dort strikt gegen künstliche Nisthilfen aus. Dementsprechend findet sich in der Liste nur ein Argument dafür: Sie dienen der Beobachtung einiger weniger, sowieso weit verbreiteter Arten. Demgegenüber finden sich über zehn Gegenargumente, warum man auf Nisthilfen für Wildbienen verzichten sollte: Einige, nicht bedrohte Arten vermehren sich stark, die Auswirkungen auf seltene, bedrohte Arten sind nicht bekannt. In den Nisthilfen können sich Parasiten unkontrolliert vermehren, Vögel zupfen die Stängel heraus, ein Teil der Brut entwickelt sich in falsch gestalteten Rohren nicht und stirbt ab. In der Öffentlichkeit entsteht ein falscher Hype, der den Wildbienen mehr schadet als nützt. Viele Maßnahmen dienen nur der Beruhigung des schlechten Gewissens und analog zu Green-Washing spricht die Seite von Bee-Washing.

Von all den angeführten Argumenten scheinen mir eigentlich nur zwei sinnvoll: Künstliche Nisthilfen gehören ausschließlich in den Siedlungraum, in Naturschutzgebieten haben sie nichts verloren. Und: Die meisten „Bienenhotels“ sind Abzocke. Das Geld dafür kann man sich sparen. Eine brauchbare Nisthilfen kann man sich ganz leicht und billig selbst basteln, zum Beispiel aus Planzenstängeln.

Natürlich kenne ich aus den diversen Gartenforen die stolzen Postings von selbst gebastelten Nisthilfen in leeren Konservendosen, und natürlich weiß ich, dass die Brut in solchen Konstruktionen eher von der Sonne geröstet wird. Und selbstverständlich sind auch unsere Meisen so intelligent, dass sie gegen Ende September, Anfang Oktober auf der Suche nach zusätzlichen Proteinen auch unsere Wildbienenbrut plündern. Vorne in den Röhrchen sitzen aber eh nur die Männchen, und Singvögel mit Mauerbienen zu füttern ist vielleicht weniger Umweltbelastung als  konventionell angebautes Körnerfutter zu verwenden, das meist auch noch importiert wird. Und dass sich an den Nisthilfen hauptsächlich gehörnte und rostrote Mauerbiene einfinden, ist mir auch klar, aber wem schadet das?

Schlauchduese mit MauerbienennestWer glaubt, dass in einem naturnahen Garten mit Blumenwiese und Obstbäumen im Frühling Pollenmangel herrscht, kann gerne bei uns die gelb eingestaubten Gartenmöbel putzen kommen. Wo röhrenartige Öffnungen sind, sollte er auf das Putzen aber besser verzichten, in den meisten nistet eine Mauerbiene. Das ist so wie mit der Schlauchdüse rechts: Ich weiß, dass Nisthilfen aus Plastik ungeeignet sind, aber ich wette, die Mauerbiene hat das genauso wenig in der Fachliteratur gelesen wie ihre Brut, und nächstes Jahr kommen aus dieser Schlauchdüse wahrscheinlich trotzdem Bienen.

Prinzipiell finde ich es natürlich gut, wenn es Leute gibt, die sich um den Erhalt selterner Tiere und Pflanzen sorgen. Meine Motivation, Nisthilfen für Wildbienen aufzuhängen, war aber vor Jahren eine ganz andere. Damals hatten wir ein verregnetes, kaltes Fühjahr. Die Zwetschkenblüten sind zwar nicht abgefroren, aber Zwetschken waren im Herbst auch keine auf dem Baum. Meiner Meinung nach war es den Honigbienen zu kalt. Der nächste Imker ist einen halben Kilometer entfernt, und so weit wollten die Tiere halt bei dem Sauwetter nicht fliegen. Also habe ich mich informiert, welche Alternativen es gibt.

Imker werden wollte ich nicht. Ich vertrage keinen Honig. Und meine Begeisterung für das Kärntner Imkereigesetz liegt noch ein paar Stufen darunter. Also habe ich Nisthilfen angeschafft, vor allem mit dem Ziel, dass sich dort die gehörnte Mauerbiene ansiedelt. Die ist fast überall häufig und fliegt genau in den drei Wochen, wo unsere Obstbäume blühen. Natürlich hätte ich auch eine Feuchtwiese anlegen und Blutweiderich setzen können, damit sich die Blutweiderich-Sägehornbiene ansiedelt, aber die ist halt auf Blutweiderich spezialisiert und hätte mir meine Zwetschke nicht befruchtet.

unreife ZwetschkenDass meine Nisthilfen nicht der natürliche Brutplatz einer Mauerbiene sind, weiß ich. Es geht aber auch niemand und sagt einem Imker, dass der natürliche Nistplatz von Honigbienen eine hohle Eiche in einem Auwald ist. Das liegt wahrscheinlich auch daran, dass die wild lebenden Honigbienen in Mitteleuropa genauso ausgestorben sind wie hohle Eichen. Ich glaube, dass jeder Kleinimker aus dem Bauch heraus weiß, ob das, was er tut, für die Natur richtig ist oder nicht. Ich schaue mir halt meinen Zwetschkenbaum an und denke mir, da kommen im Herbst gut 50 Kilo Zwetschken auf mich zu. Wenn ich daraus Knödel und Powidl mache, wird mir mein Bauch anschließend sagen, ob das richtig ist.

Nachhaltig ist Naturschutz dann, wenn eine möglichst breite Zahl der Bevölkerung die Zusammenhänge in der Natur versteht. Dazu gehört auch, dass man selber etwas ausprobiert und Fehler macht. Aus nichts habe ich so viel gelernt wie aus Fehlern. Die Natur verträgt das eine oder andere gut gemeinte aber schlecht ausgeführte Bienenhotel. Dass sich immer mehr Menschen mit Naturschutz beschäftigen, auf welchem fachkundigen Niveau auch immer, lässt einen auch verschmerzen, dass viele Firmen auf das Thema nur aufspringen, weil es werbewirksam ist.

Was richtig ist beim Naturschutz, ist ähnlich schwer zu identifizieren wie gesunde Ernährung. Die meisten Leute glauben, dass tägliches Obst gut ist. Das gilt aber maximal, wenn man keine Fruchtzuckerunverträglichkeit hat. Gesunde Ernährung ist somit etwas Individuelles, das für jede Person anders aussieht. Klar ist aber, dass eine Krapfendiät auf Dauer schädlich ist, weil Fett und Zucker keine gute Kombination sind. Die groben Ernährungsfehler sind viel leichter auszumachen als allgemeine Regeln für gesundes Essen. Genauso ist es mit der Natur: Vielleicht sind manche Bienenhotels für den Erhalt der Wildbienen unnötig, aber wenn ihre Besitzer Freude daran haben, werden sie höchstwahrscheinlich bei Schädlingsbefall auf Chemie verzichten, und der Einsatz von Pestiziden ist für die Umwelt in jedem Fall schlecht.

Ich glaube nicht, dass Naturschützer, die uns dauernd sagen, was richtig und was falsch ist, die Situation des Naturschutzes zum Besten wenden werden, vor allem nicht, wenn sie alle paar Jahre ihre Meinung ändern. Wenn allerdings jemand in einem Gartenforum Fotos von Blattlausbefall postet und hauptsächlich Antworten bekommt wie: Da muss man gar nichts machen, das ist Vogelfutter, das geht wieder weg, dann denke sogar ich mir ich mir, es ist vielleicht doch noch nicht alles verloren.


Literatur:

Paul Westrich: Wildbienen. Die anderen Bienen, München 2014

wildbienenDas Buch ist quasi der Klassiker unter den einführenden Büchern zum Thema Wildbienen. Es enthält kompakt alles, was man über diese Insekten wissen muss. An die hundert Arten sind reichhaltig bebildert und in ihrer Entwicklung genau beschrieben. Trotzdem ist das Buch kein Bestimmungsbuch. Es ist nach Themenbereichen aufgebaut und liefert einen kurzweilig geschriebenen Einstieg. Ein großer Bereich ist den verschiedenen Futterpflanzen gewidmet, aber auch zu Nistplätzen und -hilfen findet man viel Wissenswertes.

Wenn Königinnen arbeiten

Dass Hummelmütter Königinnen heißen, ist ziemlich daneben gegriffen und wurde von den Honigbienen übernommen. Die Bienenkönigin genießt von Anfang an eine Sonderstellung, sie bekommt eine größere Brutzelle, eigenes Futter und später aufwändige Pflege mit eigenem Personal. Arbeiten muss sie ihr Leben lang nicht.

Ackerhummel in KolkwitzieWie viel anders verläuft das Leben einer Hummelkönigin! Sie ist im Frühling ganz auf sich allein gestellt. Sobald der Boden nicht mehr gefroren ist, macht sie sich an die Arbeit. Und die Aufgaben, die sie zu erledigen hat, sind zahlreich. Sobald sie den ersten Hunger gestillt hat, heißt es, einen geeigneten Unterschlupf zu suchen, um den Bau anzulegen. Sie formt aus Wachs die ersten Zellen, legt die Eier hinein, schafft Vorräte herbei und sorgt auch noch brütend dafür, dass die Larven im kalten Frühjahr bei gleichbleibender Temperatur heranwachsen. Erst Ende Mai kann sie sich in den Untergrund zurück ziehen und der nächsten Generation die Arbeit überlassen. Bis dahin ist das Fortkommen des Hummelstaats ausschließlich von ihr abhängig. Mit einem Ausfall der Königin geht die Kolonie zu Grunde.

Seit den 1980er-Jahren werden Hummeln kommerziell zur Bestäubung eingesetzt. Dabei werden Nester künstlich vorgezogen, die Bestäubung erfolgt also von Anfang an durch Arbeiterinnen, nicht durch die Königin. In der Natur läuft das anders ab: In kaum einer Jahreszeit sind Hummeln so präsent wie im Vorfrühling. Sobald die Erde aufgetaut ist, brummen die fleißigen Königinnen durch den Garten und übernehmen einen Gutteil der Bestäubungsarbeit. Viele Arten sind nur in dieser Zeit auffällig, weil die Arbeiterinnen im Sommer dann deutlich kleiner sind.

Und die Zahl der Hummeln in unserem Garten nimmt im Jahresverlauf nicht wirklich zu. Das hängt damit zusammen, dass das Leben der Königinnen nicht nur anstrengend sondern auch gefährlich ist. Der Konkurrenzdruck ist hoch, und nur wenige schaffen es, einen Staat zu gründen. Viele bleiben ihr Leben lang Arbeiterinnen und nur wenige erreichen die Phase, in der sie ihrem Namen gerecht werden und wirklich als Königinnen in ihrem unterirdischen Bau von ihren Töchtern versorgt werden.

AckerhummelkoeniginDer April war dieses Jahr ungewöhnlich warm. Oft habe ich den Nachmittagskaffee draußen im Garten getrunken. Neben meinem Sitzplatz ist ein kleines Loch im Boden, das unter eine Holzterasse führt. Hunderte Male habe ich dort die rechts abgebildete Ackerhummel verschwinden sehen. Nach ihr konnte man die Uhr stellen. Anfangs hat sie viel Zeit im Bau verbracht, aber zum Schluss war sie nur noch ein paar Minuten unter der Erde, dann war sie wieder unterwegs. Um die zwanzig Minuten dauerte ein Sammelflug, dann huschte sie erneut in den Untergrund, um ihre Brut zu versorgen. Sie war eine fleißige Arbeiterin. Ich habe die Präzision bewundert, mit der sie immer am gleichen Punkt gelandet ist, um dann flugs in ihrem Bau zu verschwinden. Nicht alle Hummeln können sich so perfekt orientieren. Trotzdem hat sie es nicht geschafft. Seit Pfingstmontag ist es neben meinem Sitzplatz ruhig.

Mittlerweile ist die nächste Geration am Zug. Die Zeit, in der die Königinnen arbeiten, ist vorbei. Die jungen Ackerhummeln, die im Moment unsere Himbeeren bestäuben, stammen aus einem mir unbekannten Nest. Das passiert mir eigentlich jedes Jahr, dass ich im Frühling zahlreiche Hummelköniginnen beobachte, deren fleißige Arbeit unbelohnt bleibt. Auch das ist in der Natur so vorgesehen. Im März graben sich viele aus der Erde, und nur die wenigsten schaffen es, sich zu vermehren. So bleibt die Zahl der Hummeln über den Sommer halbwegs konstant. Nur für den Blog bleibt halt nichts, worüber man berichten kann. Darauf vergisst die Natur in unserem Garten leider öfters.

Aber glücklicherweise gibt es auch Erfolgsgeschichten. Sobald die ersten Arbeiterinnen ausfliegen, wird der Hummelstaat eine stabile Population. Mit der Königin unter der Erde, die von ihren Töchtern bedient und beschützt wird, kann nicht mehr viel passieren, so wie mit der Steinhummel, die vorher eine Erdhummel war. Das ist jetzt ein Cliffhanger, ich weiß, aber ich verspreche, in diesem Sommer wird noch einiges über unsere Hummeln zu berichten sein, auch wenn die Ackerhummel, die sich unter unserer Holzterrasse eingenistet hat, leider aus dem Rennen ist.