Der Winterjasmin blüht bei uns normalerweise im März, und die Blüten verblühen relativ schnell, sobald sie bestäubt sind. Nur manchmal, wenn es frühzeitig warm wird, blüht er bereits im Jänner. Kühlt es anschließend wieder ab, fehlt die Bestäubung und damit das Signal zum Verblühen. Dadurch entsteht die bizarre Erscheinung der gelben Blüten im Schnee, die dem Winterjasmin seinen Namen gegeben hat. In Wirklichkeit ist dieses Phänomen aber Resultat eines klimatischen Ausrutschers, die Regel ist das, zumindest bei uns, nicht. In den letzten Jahren hat unser Winterjasmin immer erst Mitte März mit der Blüte begonnen. Das Beitragsbild und das folgende Foto habe ich letztes Wochenende am 26. und 27. Oktober gemacht.
Es sind nur vereinzelte Blüten, aber sie treten an zwei verschiedenen Pflanzen auf, und es ist ziemlich sicher das erste Mal, dass unser Winterjasmin auch im Herbst blüht. An der Forsythie beobachte ich diese Erscheinung schon seit mehreren Jahren. Die folgende Aufnahme stammt vom 21. September, an diesem Tag war es bei uns so sommerlich, dass man im Gartenteich noch schwimmen konnte.
Im Phänologischen Kalender markiert die Forsythienblüte den Beginn des Erstfrühlings. Der hätte dann dieses Jahr direkt an den Spätsommer angeschlossen, wollte man dem Foto glauben. Da die Forsythien keinen Nektar bilden, sind sie für Insekten eher uninteressant, aber die Zahl der Pflanzen, die in letzter Zeit außerhalb der Reihe blühen, ließe sich beliebig erweitern. Sogar die Primeln blühen mittlerweile auch im Herbst.
Und wie werden sich die Bestäuber auf die geänderten Bedingungen einstellen? Vermutlich sehr rasch. Wildbienen, Schmetterlinge und Co haben mindestens eine Generation pro Jahr. Damit ist eine Anpassung an geänderte klimatische Bedingungen relativ einfach, und man sieht schon jetzt verschiedene Arten zu ungewöhnlichen Zeiten fliegen.
Mit unserem deutlich längeren Reproduktionszyklus fällt es uns dementsprechend schwerer, auf den Klimawandel zu reagieren. Wir müssen uns auf unsere Intelligenz und unsere Technik verlassen, um zu überleben, und gerade in diesen beiden Bereichen zeichnen wir uns gerade nicht besonders aus. Statt unsere Landwirtschaft und die Architektur unserer Städte zu überdenken, läuft auf allen Kanälen eine unglaubwürdige Werbekampagne der Politik und der Automobilwirtschaft für die Elektromobilität. Niemand versucht, unseren Lebensstil zu verändern. Stattdessen will man uns etwas verkaufen. Sogar die Pflanzen sind mit ihrer Reaktion schon mehrere Schritte weiter. In unserem Vorgarten blüht gerade der Winterjasmin.
Guten Morgen Richard.
Solche Erscheinungen sehe ich auch immer wieder.
Gleich habe ich auch ein passendes Bild dazu.
LG, Nati
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Ja, scheint so, als hätten viele Pflanzen ein zweites Zeitfenster programmiert.
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Die Natur ist halt schlauer.
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Alles in allem hast du deinen Artikel verfasst, als wäre er mir aus der Seele gesprochen.
Diese Blüten zur „Unzeit“, die durch einen kurzen Kälteeinbruch mit darauffolgender Erwärmung erscheinen, gab es auch in früheren Jahrzehnten immer wieder mal, aber tatsächlich sind in diesem Jahr auch bei mir im Garten erstmals „Frühlings“-Insekten wie bestimmte Sandbienen nach einer solchen Periode im Herbst aufgetaucht. Die Natur mit ihrem gestreuten Ausprobieren ist tatsächlich schneller anpassungsbereit als der Mensch, der sich anmassen will, darüber zu entscheiden, ob sie das auch darf, indem er Regeln aufzustellen versucht.
Das Thema e-Mobilität ist ein gutes Beispiel für die Finten der Geschäftemacher, Ängste im Zusammenhang mit den unvermeidlichen Veränderungen auszunutzen und die Zeit des Geldverdienens auf Kosten der Umwelt zu verlängern, so wie manche Staatspolitiker auch nicht wirklich an den Problemen der Folgegeneration interessiert waren oder sind, solange es ihnen zu Ruhm, Geld und einem Eintrag in die Geschichtsbücher verhilft.
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Danke für dein Feedback. Ich würde auch jedes Wort von deinem Kommentar so unterschreiben. Und deine Fotos von den Insekten abseits der üblichen Zeit habe ich natürlich gesehen. Es ist beruhigend, wie schnell sich die Natur anpasst, und beängstigend, wie lange der Mensch braucht. Vor ein paar Jahren habe ich einen wissenschaftlichen Artikel gelesen, dass die Kohlmeisen dem Klimawandel zum Opfer fallen werden, weil die Raupen mittlerweile mehrere Tage früher auftauchen, während die Kohlmeise nur ein paar Tage früher zu brüten beginnen. Als wären die Vögel diesbezüglich nicht flexibel. Wir sind viel mehr Gewohnheitstier.
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So ist es.
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Eine einzelne Forsythienblüte gibt es gerade bei mir und endlich ein paar Schneeflocken.
Die Vögel sind schlau und passen sich an. Amseln waren mal Waldvögel.
Ich hab auch noch nie so viele Buntspechte in der Stadt gesehen wie in den letzten zwei oder drei Jahren.
Jetzt sind sie Dauergast auch bei mir.
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Ja, es verschiebt sich was, und regional unterschiedlich. Stadt und Land, Norden und Süden gehen oft in unterschiedliche Richtung. Gemeinsam scheint mir, dass die Natur ungewöhnlich schnell regieren kann.
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