Doppelte Symbiose

Amselweibchen im Efeu

Im März raschelt es relativ oft zwischen den Efeublättern. Unsere Amseln lieben Obst, und nach dem Winterfrost scheinen die bläulichen Steinfrüchte endlich weich und reif genug.

Mit jedem Bissen nimmt die Amsel mehrere Samen auf, um sie an anderer Stelle wieder anzupflanzen. Es ist das Ende einer Geschichte, die ein halbes Jahr zuvor ihren Anfang nahm. Im September waren die Blüten des Efeus bei den Bestäubern genauso beliebt, wie es jetzt im Frühling die Früchte bei den Vögeln sind. Die folgenden Fotos habe ich im Herbst an der gleichen Stelle aufgenommen.

Pflanzen mussten im Laufe ihrer Evolution in verschiedenste Symbiosen investieren, um sich erfolgreich durchzusetzen. Der Efeu hat dabei einen eigenwilligen Zeitplan gewählt, um die Mitbewerber auszustechen. Sowohl seine Blüten als auch seine Früchte scheinen unwiderstehlich. Tatsächlich sind sie aber zu ihrer Jahreszeit fast konkurrenzlos. Im Herbst blüht er als einer der letzten, und frisches Obst ist zu Frühlingsbeginn eine Seltenheit. Die Amsel weiß den seltenen Leckerbissen zu schätzen und stopft eine Frucht nach der anderen in sich hinein. Auch sie hat ihre Konkurrenten, und nur wer zur rechten Zeit am rechten Ort ist, setzt sich durch und wird satt.

Hinzu kommt, dass der Efeu erst blüht und Früchte bildet, wenn er eine gewisse Größe erreicht hat. Sobald er an einem neuen Standort angekommen ist, bildet er lieber Ausläufer. Das ist die billigere Form sich zu vermehren, denn Symbiosen sind halt auch Beziehungen und folglich anstrengend.

Heidelibellen im Herbstlaub

Große Heidelibelle Paarung

Die folgenden Bilder stammen von einem kurzen Spaziergang durch den Wiener Prater am 16. November. Auf einem Waldweg paarten sich die Großen Heidelibellen im Herbstlaub bei lauschigen vierzehn Grad, und über dem benachbarten Lusthauswasser warfen zahlreiche Artgenossen im Tandem Eier ab.

Jetzt sind die Großen Heidelibellen zwar meist die letzten, die im Herbst noch unterwegs sind, und die Temperatur liegen in der Stadt zwei, drei Grad über dem Umland, aber Mitte November überrascht so reges Fortpflanzungsteiben dann doch.

Das schöne Herbstwetter hat für die Libellenpopulation aber nicht nur Vorteile. Lusthauswasser, Heustadelwasser und Krebsenwasser sind abgetrennte Altarme der Donau, die großteils vom Grundwasser gespeist werden. Der Wasserstand schwankt mit dem Regen und ist im Moment deutlich niedriger als im Herbst üblich. Viel wärmer und trockener darf es nicht mehr werden, sonst gehen den Libellen ihre Laichgewässer verlustig.

Den Tieren selbst sind diese strategischen Überlegungen natürlich fremd. Sie sind die Nachzügler, die bei normaler Witterung kältestarr im Gebüsch auf den erlösenden Frost warten würden. Stattdessen nützen sie die Gunst der Stunde und feiern ein fröhliches Fest am Wasser.

Ein Suchbild

Baugrüne Mosaikjungfer Paarungsrad

Wer im folgenden Bild eine Libelle findet, bekommt eine zweite gratis dazu. Mit der Ausschnittvergrößerung daneben tut man sich leichter, aber meine Augen haben es auch hier schwer, die Tiere sofort zu erkennen.

Gut nur, dass die Blaugrüne Mosaikjungfer ihre Paarung im Flug beginnt. Das typische Flügelschlagen ist nicht zu überhören, und anschließend suchen die beiden in der Radstellung nach einem geeigneten Ruheplatz. Nicht immer sind sie danach so gut getarnt wie in den Thujen.

Die Aufnahmen sind vom 14. Oktober. Die Flugzeit dieser Art beginnt im Juli und endet im Oktober. Ich kann mich aber nicht erinnern, jemals so spät im Jahr noch so rege Flug- und Paarungstätigkeit am Teich beobachtet zu haben. Vor dem Wetterumschwung hatte es an diesem Tag noch 23 Grad, die sich in der Sonne deutlich wärmer anfühlten.

Es verwundert mich immer wieder, wie schnell sich Tiere und Pflanzen an die klimatischen Veränderungen anpassen können. Ein ungewöhnlich langer Sommer, weit in den Herbst hinein, ist kein Problem. Die Libellen sind der Witterung entsprechend zahlreich. Wir kriegen ja nicht einmal flexible Betriebszeiten in den Freibädern zusammen.

Noch mehr Hüpfer

Große Schiefkopfschrecke

Subjektive Urteile sind immer mit Vorsicht zu genießen, weil man mehr Aufmerksamkeit ins Suchen investiert, sobald man einmal mit dem Finden begonnen hat, trotzdem wage ich zu behaupten, dass bei uns dieses Jahr deutlich mehr Heuschrecken unterwegs waren. Zunächst fielen mir die vielen Grashüpfer auf, dann habe ich alte Bekannte wiedergesehen wie das Grüne Heupferd und die Gemeine Strauchschrecke auf den ersten Bildern.

Auch die sehr schöne Laubholz-Säbelschrecke ist regelmäßig Gast im Garten. Dieses Exemplar saß mir im Juli sogar Porträt und schielte direkt in die Makrolinse. Der Gesichtsausdruck entsteht wahrscheinlich, wenn man sich vom falschen Grünzeug ernährt.

Die Begegnung mit den neuen Arten verdanke ich zu einem Teil der fortschreitenden Erwärmung, wie die nächsten Fotos zeigen. Zunächst sieht man eine Vierpunktige Sichelschrecke kopfüber an einem ramponierten Mangoldblatt hängen. Das Foto ist von Anfang Oktober. Die beiden anderen Bilder sind vom August und zeigen eine weibliche und eine männliche Große Schiefkopfschrecke. Den Geschlechtsunterschied erkennt man bei den Langfühlerschrecken immer an der Legeröhre. Der Körper der Weibchen wirkt bei manchen Arten durch diesen Fortsatz deutlich länger.

Für die Vierpunktige Sichelschrecke galt früher der Alpenhauptkamm als nördliche Verbreitungsgrenze. Mittlerweile findet man die Art auch schon in Süddeutschland. Die Große Schiefkopfschrecke – das Attribut ist wahrscheinlich so eine Aufwertung wie bei den russischen Zaren, kleine Variante gibt es keine – hat den Weg nach Norden etwas später angetreten. Mittlerweile findet man sie an Bodensee und Rhein.

Bei uns im südkärntner Garten sind sie mir dieses Jahr zum ersten Mal untergekommen, und der in den Oktober verlängerte Sommer wird wohl seinen Teil dazu beitragen, dass sie sich erfolgreich vermehren. Die Imagines dieser Art sind geschickte Flieger. Ich entdecke sie immer, wenn sie zwischen den Bäumen und Sträuchern durch die Luft schwirren. Mit der Klimaerwärmung können sie so gut Schritt halten und schaffen es von Generation zu Generation ein Stück weiter in den Norden.

Die Weidenjungfer

Weidenjungfer

Die Weidenjungfer ist eine zierliche Kleinlibelle, die man einzeln leicht übersehen kann, aber meist fliegt sie sowieso im Tandem. Erste Exemplare zeigen sich schon im Juli, aber die Hauptflugzeit ist Ende August bis Anfang Oktober.

Man sieht die Tiere selten über dem Wasser. Die meiste Zeit hängen sie zwischen den Blättern an überhängenden Ästen, von wo man sie im Vorbeigehen unabsichtlich aufscheucht. Der Ablaichvorgang nimmt ziemlich viel Zeit in Anspruch. Jedes der bis zu 200 Eier wird einzeln in der Rinde von Weichgehölzern versenkt, wobei alles genommen wird, was irgendwie geeignet erscheint. Weiden müssen es definitiv nicht sein, denn bei uns am Teich haben wir gar keine.

Bei der Weidenjungfer überwintern die Eier. Erst im Frühjahr schlüpfen die Prolarven und lassen sich ins Wasser fallen beziehungsweise bewegen sich am Boden in dessen Richtung. Dieser Entwicklungszyklus bewirkt auch die vergleichsweise späte Flugzeit der Kleinlibelle.

Als Teichbesitzer ist man bemüht, überhängende Äste zu entfernen, damit das Herbstlaub den Teich nicht überdüngt. Gar so genau nehme ich es damit nicht, wie man an den über die Jahre hinweg immer zahlreicheren Weidejungfern sieht, die im Herbst durch die Luft schwirren.