Die meisten Gartenteiche sind aus PVC- oder EPDM-Folie. Wirklich naturnah aus gestampftem Lehm macht sich kaum jemand seinen Teich, und doch sind die meisten künstlich geschaffenen Gewässer aus diesem Material. Im Volksmund heißen sie Ziegelteiche und haben ihren Ursprung im Bauboom der Gründerzeit.
Wienerberger, der weltweit größte Ziegelproduzenten, verdankt seinen Namen einem flachen Hügel im Süden Wiens und seine Marktposition den Ziegelböhm, die hier unter unmenschlichsten Bedingungen im 19. Jahrhundert die Bausubstanz für viele Ringstraßengebäude aus dem Boden schöpften. In den Reportagen Victor Adlers lässt sich das eindrucksvoll nachlesen. Der Rest ist Geschichte aus einer Zeit, als die Sozialdemokratie noch in der Lage war, Geschichte zu schreiben.
Wenn man heute über das Erholungsgebiet Wienerberg blickt, im Hintergrund Mödling und zur Rechten die Wohntürme von Alterlaa, kann man sich kaum vorstellen, dass hier jahrzehntelang eine Müll- und Schuttdeponie war. Mit Grundstücken, wo sich das Wasser sammelt, kann man bautechnisch halt wenig anfangen. Die Natur dafür umso mehr.
Heute gehört das Areal der Gemeinde Wien, steht teilweise unter Schutz und ist ein wichtiger Bestandteil des Grüngürtels. Man findet hier eine Vielfalt an Insekten und Wasservögeln. Das markanteste sind aber die unglaublich großen, gut genährten und zahlreichen Seefrösche. Sie sitzen hier gesellig in Gruppen an den Ufern der Verbindungskanäle und sonnen sich wie die vier Exemplare auf dem Bild rechts.
Bei uns am Gartenteich ist die Amphibiensaison recht kurz. Nach ein paar Wochen im März ist alles vorbei, die Erdkröten und Braunfrösche sind wieder verschwunden, und zurück bleiben nur die Kaulquappen, die Anfang Juni dann den Teich verlassen. Seefrösche haben keine so ausgedehnte Wandertätigkeit, und so findet man sie auch im Sommer noch in der Nähe des Gewässers.
Mit den außenliegenden Schallblasen sind sie entsprechend laut. Ein Spaziergang im Erholungsgebiet Wienerberg ist deshalb oft begleitet von Musik, wenn auch eher von der schnarrenden, dissonanten Sorte.
In den letzten Jahren sind rundum die Wohnhäuser näher gekommen, und auch aktuell wird kräftig gebaut, denn die Stadt wächst. Trotzdem herrscht hier eine naturnahe Idylle, der man ihre Geschichte als Ziegelwerk und Mülldeponie absolut nicht mehr ansieht.
Beruhigend zu lesen, dass die Schutzwürdigkeit wenigstens zum Teil schon anerkannt ist, denn so etwas in Stadtnähe zu haben ist ein Schatz, dessen Verknüpfung mit Stadthistorie hoffentlich einen Pluspunkt im Fortbestand verschafft.
Überhaupt ist den meisten Menschen nicht bewusst, dass die Herstellung von Ziegeln früher kaum „menschenwürdiger“ abgelaufen ist, als der Bau ägyptischer Pyramiden immer phantasiert wird, Kinder-, Frauen- und Altenarbeit inklusive.
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Rundum wachsen die Wohnhäuser. Immer mehr Leute wohnen in Gehdistanz. Das führt zu mehr Besuchern und das passt natürlich nicht allen tierischen Bewohnern. Aber meiner Einschätzung nach ist dieses Naturschutzgebiet ziemlich gut abgesichert.
An die ägyptischen Pyramiden musste ich bei der Geschichte witzigerweise auch denken. Vor allem, weil ich einmal gelesen habe, dass die Arbeiter vielleicht gar keine Sklaven sondern Bauern waren, die sich in der Nebensaison so etwas dazu verdienen konnten. Unsere Prachtbauten an der Ringstraße sind jedenfalls auch mit Blutzoll erbaut worden.
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Ja, so etwas hatte ich auch gelesen und es ist vielleicht in mehreren Abstufungen wahr, dass es die freiwillig verdingten, die Fronleistenden und auch Sklaven gegeben haben könnte. Die Geschichte des Nationalsozialismus lehrt uns ja auch Beispiele aus dem 20. Jh., wie durch Verschleppte, Kriegsgefangene und „normale“, weil mehr oder weniger freiwillige, weil der Not gehorchende Arbeiter und Arbeiterinnen und abkommandierte Dienste verschiedene umfangreiche Bau- und Industrietätigkeiten geleistet wurden.
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Eigentlich müsste man historische Ungerechtigkeiten auch an den Dimensionen der Gebäude ableiten können. Trotzdem besichtigen die Touristen immer die höchsten Türme.
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Du hast so recht.
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Es ist bemerkenswert wie häufig schutzwürdige Lebensräume auf alten Nutzflächen entstehen. In der Gegend, in der ich aufwuchs, gab es mal eine alte Kiesgrube, die zwischen den Kriegen und nach dem Krieg teilweise mit Müll verfüllt wurde, dann von einem Abbruchunternehmen zur Schuttaufbereitung genutzt wurde. In den 1990ern schleppten mein bester Kumpel und ich Viecher aus dem Baggersee an, die selten waren, woraufhin sich u.a. unsere Eltern dafür einsetzten, dass das Ding zum Naturschutzgebiet wurde. Ist es dann auch bis heute, mit im Übrigen immer noch reicher Amphibienfauna, darunter eines der wenigen Wechselkrötenvorkommen hier im Kölner Stadtgebiet 🙂
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Meine Eltern sind in den 1970er Jahren aufs Land gezogen. Da gab es in jeder Schottergrube eine Amphibienlacke, und ich habe dort zum ersten Mal eine Ringelnatter gesehen. Schön, dass die Natur mit unseren Hinterlassenschaften so viel anzufangen weiß. Und auch schön, dass solche Schutzgebiete in den Städten existieren. Es braucht nur ausgewiesen Flächen, die eine grüne Infrastruktur aufbauen, dann können Natur und Mensch in den Ballungsräumen auch gut nebeneinander existieren.
Liebe Grüße, Richard
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Die Natur würde sich sehr schnell alles zurückholen, was wir ihr geklaut haben.
Wir müssten dafür allerdings vom Erdboden verschwinden.
Und daran arbeiten wir ja nach Leibeskräften.
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Das hätte ich mir so nicht zu formulieren getraut, aber jetzt, wo du es sagst… Leider wird es mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit darauf hinauslaufen, dass wir uns aus dem Geschäft nehmen. Und für die Natur wird es keine Probleme bedeuten, wenn das passiert.
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