Heute Morgen schien zum zweiten Mal hintereinander von in der Früh weg die Sonne. Für Wien ist das im November eine Seltenheit. Dementsprechend frostig war es auf dem Weg zur Arbeit.
Als ich mit dem Fahrrad am Donaukanal entlang gekommen bin, habe ich kurz die Handschuhe ausgezogen und ein paar Fotos von den Möwen geschossen, die mich dort seit einiger Zeit jeden Morgen erwarten. Das habe ich auf dem weiteren Weg bereut, weil es mir gründlich die Finger abgefroren hat, aber mit den Fotos hatte ich dann doch meine Freude. Wenn ich Möwen so eng beieinander sitzen sehe, quasi Emma neben Emma, fällt mir immer das Möwenlied von Christian Morgenstern ein:
Die Möwen sehen alle aus,
als ob sie Emma hießen.
Sie tragen einen weißen Flaus
und sind mit Schrot zu schießen.
Ich schieße keine Möwe tot,
ich lass sie lieber leben –
und füttre sie mit Roggenbrot
und rötlichen Zibeben.
O Mensch, du wirst nie nebenbei
der Möwe Flug erreichen.
Wofern du Emma heißest, sei
zufrieden, ihr zu gleichen.
Ich hatte weder Brot noch Rosinen dabei und hätte die Möwen auch dann nicht gefüttert, wenn dem so gewesen wäre. Sie sind zahlreich genug und kommen ohne falsches Futter besser zurecht.
Möwen scheinen an karge Landschaften mit Felsen gewöhnt zu sein und alles zu akzeptieren, wo Wasser in der Nähe ist. Der Donaukanal ist jener Arm der Donau, der am Zentrum vorbei fließt, und er ist seit über hundert Jahren so gut wie naturbefreit. Das Wasser ist an beiden Seiten von einer mehrere Kilometer langen Kaimauer reguliert. Im Sommer dominiert hier die Gastronomie mit ihren Schanigärten, im Winter übernehmen die Lachmöwen. Den ganzen Winter über sitzen sie am Abgrund über dem Wasser und warten, dass es wieder wärmer wird, um in die Brutregionen zu ziehen.
Dass diese künstlichen Felsen großteils mit Graffitis überzogen sind, stört sie genauso wenig, wie die Tatsache, dass ständig Radfahrer vorbeiziehen. Und sie werden von Jahr zu Jahr mehr, kommt mir vor. Es gibt sogar eine kleine Population, die auch im Sommer hier bleibt. Die meisten sind aber Zugvögel, die neben den Saatkrähen in Wien zu den auffälligsten Wintergästen gehören. Und sie eignen sich gut als Fotomotiv. Ich hätte noch viele Fotos schießen können, wenn meine Finger nicht nach einiger Zeit völlig taub gewesen wären. Im Büro verging eine gute halbe Stunde, bis sich meine Hände wieder normal anfühlten. Schon komisch, dass die Natur das Wärmegefühl so unterschiedlich verteilt hat. Die Möwen landen ungerührt auf dem Wasser, und ich bin sicher, sie haben den heutigen Morgen für einen der wärmeren gehalten.
Hahaha, und unten im Entenmarsch. 1 – 2 – 3
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Die Möwenbande wirkt vor den Graffiti wie vor einer Kulisse, die sie als Stadtvögel besonders herausstellt. Luft-Skater sind sie sowieso.
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Danke. Das hast du treffend formuliert. Ich fahre oft da vorbei und beobachte immer wieder Touristen, die die Graffitis fotografieren, hatte aber selber noch nie das Bedürfnis, gleiches zu tun. Mit Möwen hat es plötzlich gepasst.
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Vögel zu füttern verpasse ich nie. Die finden schon was ist für mich keine Lösung. Jede Suche kostet Energie. Ob Sommer oder Winter. Deshalb bin nicht nur ich, sondern auch namhafte Vogelkundler und entsprechende Wissenschaftler der Meinung ganzjährig und bei jeder Gelegenheit zu füttern. Die Umwelt hat sich sehr stark verändert. Was früher galt, ist Schnee von gestern. Umdenken ist angesagt.
LG Jürgen
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Wie hast du letztens so schön diplomatisch formuliert: Da hat jeder so seine eigene Position. Und diesen Möwen geht es meiner Meinung nach recht gut.
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Richtig. Ich habe ja auch nur meine Meinung kundgetan. Selbstverständlich respektiere ich auch andere Meinungen. Jeder trifft seine Entscheidungen selber.
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Wenn alle gleich ticken würden, wäre das auch ganz schlecht. Bei vielen Themen bin ich mir ja nicht einmal mit mir selber einer Meinung, dafür ist die Welt zu groß und kompliziert und mein Kopf zu klein. Deshalb freue ich mich auch über jeden kritischen Kommentar, der mir Konter gibt. Liebe Grüße.
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Aber hat die Natur das nicht immer alles selbst geregelt, auch ohne unser Zutun?
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So schön… Danke.
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Dank retour.
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Erstaunliche Fotos! Durch die hohe Brennweite sind viele bewundernswerte Details des Kais zusammengerückt worden.
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Umgerechnet auf eine normale Kleinbildkamera waren es so 550 mm. Das ist nicht so viel, aber es schiebt die Dinge schon deutlich zusammen. Die einzige bewusste Entscheidung bei den Fotos war der Standpunkt. Die Kaimauer macht dort eine deutliche Kurve. Es schaut so aus, als stünde ich irgendwo draußen, aber in Wirklichkeit war ich keine 50 m weiter auf der gleichen Mauer.
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Danke für die schönen Bilder. Ich lebe da wo keine Möwen vorhanden sind….was ich schade finde. Ich liebe Möwen
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Freut mich, wenn es gefällt. Ich lebe eigentlich auch da, wo keine Möwen sind. Umso schöner ist es, wenn sie im Winter auf Besuch kommen.
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