Für die einen ist es einfach nur ein Loch in einem Baum. Für die anderen ist es eine Spechtschmiede. Der Specht ist eine Art Anti-Greifvogel. Seine Krallen sind dafür gebaut, sich an einem Baumstamm festzuhalten. Er kann nicht geschickt einen Sonnenblumenkern mit den Füßen festhalten und dann mit dem Schnabel so lange auf ihn eindreschen, bis die Schale herunten ist, wie das die Meisen machen. Dafür braucht er eine geeignete Vertiefung, wo er das Futter einklemmen kann.
Seit vielen Spechtgenerationen war das bei uns ein spezielles Loch in einem Apfelbaum. Man konnte eine Walnuss darin einklemmen und anschließend den Inhalt mit dem Schnabel herauspiken. Das Loch übte eine magische Anziehungskraft auf Buntspechte aus. Zu Mittag im Winter brauchte man nur eine halbe Stunde zu warten, um mindestens einen Buntspecht bei der Mahlzeit zu beobachten.
Solche Löcher haben aber einen Nachteil. Bei jedem Regen sammelt sich Wasser. Ich habe im Sommer in einem unserer Apfelbäume schon eine kleine Pfütze mit Mückenlarven gesehen. Mit der Zeit weicht sich dann das Holz auf, das Loch wird größer, und irgendwann ist es als Spechtschmiede nicht mehr zu gebrauchen. Macht aber nichts. Erstens können sich Spechte relativ leicht eine neue Schmiede klopfen, und zweitens sind sie sehr geschickt, bestehende Vertiefungen auszunützen.
Unser Nussbaum ist alt und hat jede Menge Ritzen. Letztes Wochenende habe ich ein Buntspechtweibchen vor dem Fenster beobachtet, das voller Hingabe in einer Astgabel auf einer Nuss herumhämmerte. Gelegenheitsschmiede nennt man das, wenn der Specht sich keine eigenen Vertiefungen schafft, sondern bestehende Einkerbungen verwendet. Fotografieren hat sich das Buntspechtweibchen übrigens nicht gerne lassen. Die eine Nusshälfte hat sie mitgenommen, was darauf hindeutet, dass sie anderswo eine andere Schmiede zur Verfügung hat. Die zweite Hälfte hat sie zurück gelassen, aber nicht lange. Ein paar Stunden später war auch diese weg, was darauf hindeutet, dass sie doch noch Hunger hatte.
Die Spechtschmiede ist mir bekannt. Da lassen sich immer schöne Fotos machen. Dein Beitrag ist sehr schön beschrieben mit tollen Fotos. Ich finde es auch ganz wunderbar, solche Begriffe auch einmal den weniger versierten, aber trotzdem interessierten, Vogelbeobachtern näher zu bringen. Ganz prima.
LG Jürgen
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Danke
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Jetzt weiß ich endlich, warum ich oft einen Specht an gleicher Stelle im Baum einhämmern sehe! Ich dachte immer, dort gedeiht das Futter Viehzeug besonders gut – jetzt wird sich’s wohl eher doch um Spechts Schraubstock handeln 🙋🏽♀️👍🏼
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Schau mal, ob du dort Bröselreste findest.
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Komme ich leider nicht ran, ist ganz weit oben.
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Schön, die Bilder so unzweifelhaft im Zusammenhang zu sehen.
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Danke
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Klasse dokumentiert!
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Danke. Das Loch im Apfelbaum beobachte ich schon lange. Den Text darüber hatte ich schon im Kopf, aber Specht wollte sich dieses Jahr keiner mehr zeigen. Und dann setze ich mich zum Lesen ins Wohnzimmer und sehe, wie vor dem Fenster ein Specht im Nussbaum hämmert. Es ist immer alles anders als man denkt.
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Ohne die Nuss zu verstecken? Das machen doch manche Vögel – oder geben sogar vor, an einer Stelle etwas zu verstecken, aber nur, wenn sie sic beobachtet fühlen.
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Von den Krähenvögeln habe ich das schon mal gehört. Das setzt aber ein gewisses Einfühlungsvermögen voraus. Ein ehrlicher Vogel achtet nicht darauf, ob er beobachtet wird. Wenn er selbst schon mal was gestohlen hat, ist er deutlich vorsichtiger. Die Spechte sind entweder zu ehrlich, oder es liegt daran, dass es genug Nüsse gibt. Bei uns wachsen die Walnüsse auch in den benachbarten Wäldern.
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Das war jetzt sehr schön!
Spechte sind nicht nur hübsch, sie sind auch schlau 🙂
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Und das bei den vielen Schlägen mit dem Kopf! 😉
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