Mieterwechsel

Rund ums Haus haben wir mehrere Nistkästen, von denen drei regelmäßig besetzt sind. Den ersten hat mir vor über zehn Jahren das Naturhistorische Museum in Wien gekauft. Da hätte an der historischen Fassade eine Mauerseglerkolonie entstehen sollen. Der Plan fiel dann Bedenken wegen dem Vogeldreck zum Opfer, und so geriet einer der bereits besorgten Kästen über Umwege in meine Hände. Ein Kohlmeisenpärchen hat sich darüber sehr gefreut.

2017 haben Hausspatzen übernommen. Die sind quasi in feindlicher Absicht beim Nachbarn einmarschiert. So etwas würden wir Menschen ja nie machen, aber im Tierreich kann das schon einmal vorkommen. Die Kohlmeisen mussten 50 Meter weiter zu den Nachbarn ins Exil.

Vor ein paar Jahren hat mir dann eine andere Nachbarin einen Nistkasten geschenkt, dem ich eine für Kohlmeisen geeignete Öffnung verpasst habe. Diese Aktion war von Erfolg gekrönt. Zwei Jahre lang war alles perfekt aufgeteilt: Auf der Westseite brüteten die Hausspatzen, auf der Ostseite die Blaumeisen und hinten unter dem Schuppendach die Kohlmeisen.

Aber wie sagte dazu schon Tell in der hohlen Gasse bei Küssnacht: „Es kann der Frömmste nicht im Frieden bleiben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt.“ Die Klassiker sind in ihrer Handlung ja recht vorhersehbar, und wahrscheinlich ahnt man schon, was ich gestern entdecken musste: Das Kohlmeisenweibchen flog mit dem Nistmaterial in die falsche Richtung, und so ist die schöne Ordnung bei unseren gefiederten Untermietern wieder über den Haufen geworfen.

Ich vermute ja, dass diese Wiedereroberung von langer Hand über Generationen hinweg vorbereitet wurde. Unsere Hausspatzen haben viele Jahre lang Cellophan für den Nestbau verwendet. Letztes Jahr war damit Schluss. Das alte Pärchen ist wahrscheinlich verstorben, und die Nachfolger haben nicht nur das Nistmaterial gewechselt, sie waren auch nicht so durchsetzungsfähig. Deshalb konnten ihnen die Kohlmeisen den besten Platz am Haus wieder wegschnappen.

Als Vermieter und Kontrollfreak aus Leidenschaft sieht man so etwas natürlich nicht gern. Wer wird im dritten Nistkasten einziehen? Oder habe ich jetzt zusätzlichen Leerstand? Dabei ginge es auch anders, wie man an den Blaumeisen sieht. Die brüten seit gut zehn Jahren ohne Unterbrechung und mit Erfolg auf der anderen Seite des Hauses. Hier zeigt sich, dass Kleinwuchs ein positives Selektionskriterium sein kann. Durch das enge Einflugloch der Blaumeisen schafft es keine der streitsüchtigen, größeren Arten, und so bleiben diese Bewohner ungestört. Schön, wenn manches im Frühjahr auch seinen gewohnten Lauf nimmt.

11 Kommentare zu „Mieterwechsel

    1. Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Es gibt auch noch eine Gruppe, die gerade erst angekommen ist, das sind die Langstreckenzieher. Heute habe ich den ersten Gartenrotschwanz am Zaun gesehen. Es gibt also einige Kandidaten.

      Liebe Grüße
      Richard

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    1. Bei den Blaumeisen scheint auch der Generationenwechsel zu klappen. Ich merke über die Jahre hinweg keine Veränderung, und das ist sicher nicht mehr das gleiche Pärchen wie am Anfang.

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      1. Witzig! Schon erstaunlich, wie das funktioniert. Wir erinnern uns ja auch gerne an unsere Kinderstube oder wo wir uns früher mal wohlgefühlt haben. Die einen zieht es wieder dahin zurück, die anderen wollen nur weg 😉

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