Dass man bei folgenden Fotos auf den ersten Blick den Eindruck hat, es gäbe eigentlich kein Tier zu sehen, ist Absicht, wenn auch nicht meine.
Bei dem Insekt, das sich hier vor seiner Umwelt verbirgt und dementsprechend schwer zu fotografieren ist, handelt es sich um eine Köcherfliegenlarve, wahrscheinlich ein Exemplar von Limnephilus rhombicus, aber das Bestimmen von Köcherfliegen ist eher Kaffeesudleserei. In Mitteleuropa gibt es 400 verschiedene Arten, von denen Bellmanns Kosmos-Insektenführer 23 Vertreter verzeichnet, die alle auf Deutsch bloß Köcherfliege heißen.
Die fertigen Insekten leben nur kurz, und von den Larven sieht man fast nichts, weil sie ihren Körper in einer kunstvollen Hülle verbergen. Jede Art verwendet andere Materialien – Blätter, Stängel, Steinchen oder auch Schneckenschalen – und der Bauplan wird an das vorhandene Materialangebot angepasst, so dass das Ergebnis bei derselben Art unterschiedlich aussehen kann.
Um Algen, Moose und andere Pflanzenteile abweiden zu können, müssen sich die Tiere natürlich bewegen, und so kann man sie dann doch entdecken. Vor zwei Jahren fielen mir im Teich zahlreiche Exemplare der Großen Teichköcherfliege Phryganea grandis auf, die ich damals hier im Blog gezeigt habe:
Es gibt auch Arten, die eine flauschigere Form bevorzugen. Man erkennt sie im trüben Teichwasser wirklich nur, weil sie alle die gleichen ruckartigen Bewegungen vollführen, wenn sie ihren Köcher auf der Suche nach Nahrung vorwärtsziehen.
Am meisten staunte ich aber über folgendes Tierchen, das ich letztes Jahr im Mai auf einem bemoosten Stein entdeckte und bei dem es sich vielleicht um eine Enoicycla handelt. Reflexartig wollte ich das Tier in den Teich tragen, aber es gibt auch Arten, die ihre Larvenzeit an Land verbringen. Sie unterscheiden sich von den Wasserbewohnern dadurch, dass man sie noch viel leichter übersieht.
Der Köcher wird durch Spinnfäden zusammengehalten und besteht beim letzten Exemplar aus Blattresten, Steinchen und den längsgerichteten Stöckchen, die auf dem Rücken montiert sind. Diese Stängel können bei einzelnen Arten länger sein als das ganze Tier und machen ein Verschlucken der gesamten Konstruktion fast unmöglich. Eine wirklich erstaunliche Bastelleistung.
Solche Teiche in Gärten sind ja Biotope und regeln die natürliche Ordnung erneut. Und so vieles gehört dazu, auch das Allerkleinste.
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Ja, ich denke, von allen gestalterischen Maßnahmen, die wir in den letzten Jahren im Garten gesetzt haben, hat der Teich am meisten für die Vielfalt gebracht. So viele Arten, die ich davor noch nie gesehen habe, sind dazu gekommen. Am meisten natürlich die kleinen, die Insekten.
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Das mitzuerleben, ist sicher sehr spannend. So ein Garten- und Teichbesitzer einiges tun als Helfer im größeren Schöpfungswirken und spürt auch selbst die guten Wechselwirkungen. Es sind zum Glück viele Einzelne, die daran weiter arbeiten.
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Zumindest im eigenen, kleinen Bereich kann man schon viel machen. Es ist ein ständiges Probieren, manches geht schief, aber so wird einem nie langweilig, und man entdeckt die Zusammenhänge.
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Faszinierend diese Köcher. Immer wieder staune ich wie die Instinkte für solche Bastelleistungen entstanden sind.
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Der Bauplan muss irgendwo in der DNA kodiert sein wie die Zugwege bei manchen Vögeln. Es gibt Mönchsgrasmücken, die fliegen östlich, andere westlich und die Kreuzungen nehmen den geraden Weg übers Mittelmeer. Die Köcherfliegenlarve hat vielleicht ein paar Gene mit den Plänen für ihren Köcher. Zum Staunen ist es in jedem Fall.
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Was mich an der Evolution so fasziniert, ist, dass es irgendwann das erste Mal war, dass zB diese Köcher gebaut wurden, dass ein Zugvogel gezogen ist, dass die Lachse zurückschwimmen und dort laichen wo sie selbst geschlüpft sind …. Wenn ein Verhalten einmal kodiert ist, ist es immer noch erstaunlich, aber den Ursprung finde ich eben noch erstaunlicher …
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Ja, wenn man sich nur das Endergebnis anschaut, ist es nicht leicht nachvollziehbar, wie die Evolution so was Kompliziertes hervorbringen konnte. Oft ist die Zwischenstufe aber ganz was anderes gewesen. Die Lunge war zum Beispiel eine Schwimmblase. Und wer weiß, ob diese Köcher von Anfang an ein Schutz waren. Vielleicht hatten sie zunächst eine ganz andere Aufgabe.
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Ja, Evolutionsbiologie gehört jedenfalls zum Spannendsten
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Bei Augen sagt man, daß der Augenfleck, also ein einfaches Sensorium für hell/dunkel der Ursprung gewesen sei. Wobei die Nutzung von Licht schon zellulär angelegt sein dürfte.
Andererseits redet man auch von evolutionären Sprüngen. Wenn es solche gegeben hat, wieso behaupten die sich?! Darwin allein kann es ja nicht sein.
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Ich glaube schon, dass sich solche Veränderungen dann aus irgend einem Grund behaupten. Bin aber kein Experte. Recht gründlich erklärt ist es in: Neil Shubin: Die Geschichte des Lebens. Etwas älter ist: Der Fisch in uns. Das war auch recht verständlich zu lesen.
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Diese beiden Bücher kenne ich.
Andreas Wagners Buch: „Arrival of the fittest“ war auch sehr gut. Er spricht auch von Mutationssprüngen, die er in multidimensionalen Datenbanken nachgestellt hat.
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Danke. Literaturtipps kann ich immer brauchen.
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Darwin hat großartig beobachtet und gedacht, aber von Genetik wusste er ja noch nichts. Da sind heute ganz andere Erkenntnisse möglich.
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Das sind ja wieder besonders faszinierende Aufnahmen dieser Larven und auch dein Bericht darüber ist sehr interessant!
Dankeschön dafür und liebe Grüße 🍀🌼
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Danke für dein Feedback. Freut mich, wenn es interessant war.
Liebe Grüße
Richard
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Toll !! Danke.
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Gern geschehen. Freut mich, wenn es gefällt.
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Ich hatte unlängst ein Tierchen gezeigt, im Teich des botanischen Gartens. Vielleicht weißt Du, was es ist?!
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Du meinst diesen Flitzekäfer an der Wasseroberfläche? Ich glaube, die gibt es bei uns auch, aber die sind mir auch zu schnell. Sind auch relativ klein. Wenn ich draufkomme, lasse ich es dich wissen. Man brauch immer Aufgaben für die Zukunft. 😉
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Genau, den meinte ich.
Es schadet auch nichts, wenn man später draufkommt.
Vom letzten Jahr habe ich ja noch so einen Fall, in dem eine Märzfliege eine gelähmte weibliche Märzfliege begattet, direkt unter den Beinen einer Krabbenspinne.
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Oh, ganz tolle Fotos. Ich finde sie zu faszinierend. Ja, es scheint sich wirklich zu lohnen, einen Teich zu haben. Merke ich mir für später, sollte ein Garten es hergeben. Ich fand unterwegs gerade die ersten Larven von Echten Sackträgern. Das ist auch immer wieder schön, wenn sie irgendwo am Wegesrand „abhängen“
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Nein, Schmetterlinge können das auch, sich in Pflanzenreste packen? Das wusste ich noch nicht, man lernt nie aus. Aber jetzt weiß ich, was ich suchen muss. Danke.
Und, ja, Teich kann man empfehlen, es wird nie langweilig.
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Wobei ich deine Verpackungskünstler vom architektonischen Ergebnis her noch beeindruckender finde.
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Also diese kleinen Exemplare haben wir sicher immer übersehen. Offensichtlich muss man „ein Auge dafür haben“!
Unglaublich, was sich die Natur einfallen lässt!
..grüßen Syntaxia und Felix
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Dann habt ihr in ihrem Sinne alles richtig gemacht. Die wollen übersehen werden.
Liebe Grüße, Richard
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Ich finde die einfach genial, diese Köcherfliegenlarven. Was für „Verpackungen“, unglaublich!! Und wie machen die das eigentlich? Genau wie Naturfunde kenne ich nur die Echten Sackträger, die auch skurrile Hüllen haben, aber ich glaube, die Köcherfliegenlarven toppen das noch. Ich hoffe, ich kriege mal welche zu sehen. Spitze, was du bei dir alles gefunden hast!
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Und jede hat ihren eigenen Bauplan. Ja, die Variationen sind genial.
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Ich frage mich, ob die nen Sekundenkleber nehmen und sich die Steinchen oder was auch immer nachts auf den „Panzer“ kleben. Oder wie geht das???
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Das, was sie verwenden ist wie Spinnweben, wenn ich das richtig verstanden habe. Köcherfliegen sind verwandt mit Schmetterlingen, habe ich mal wo gelesen, und die spinnen ja auch Kokons.
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Meine Güte, daß ist ja auch wieder faszinierend. Da sieht man mal wieder, warum die Natur nie langweilig wird!
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