Der glücklichere von Zweien

Alpen-Kammmolch Larve

Vereinzelt sind auch Anfang September noch ausgewachsene Molche in unserem Teich, aber hauptsächlich sieht man jetzt die Larven, die auf Beute lauern. Sie sind dieses Jahr zahlreich aber noch nicht besonders groß, und es ist schwierig, die einzelnen Arten voneinander zu unterscheiden. Das hier wird wahrscheinlich einmal ein Alpen-Kammmolch:

Um die Ähnlichkeit zu den ausgewachsenen Exemplaren zu erkennen, braucht es etwas Phantasie. Später sollte der Molch so aussehen wie das Weibchen, das hier gerade Luft holt, oder das am Kamm erkennbare Männchen auf dem letzten Bild:

Jeder Alpen-Kammmolch, der sich zur Larve oder gar zum fertigen Amphibium entwickelt, hatte ganz am Anfang Glück. Die Chancen, dass sich ein befruchtetes Ei entwickelt, stehen nur 50:50. Grund dafür ist eine Art Defekt im ersten Chromosomenpaar, das über zwei verschiedene Strukturtypen verfügt. Nur wenn beide Varianten zusammen kommen, ist das Individuum lebensfähig.*)

Jeder erwachsene Kammmolch hat ein Chromosom vom Typ A und eines vom Typ B, die sich bei der Produktion von Samen- und Eizellen wieder trennen. Wird nun eine Eizelle von einer Samenzelle des gleichen Typs befruchtet, stirbt die Larve in einem Frühstadium der Entwicklung ab. Von den möglichen Kombinationen AA, AB, BA und BB sind also nur die mittleren beiden und damit zirka 50 Prozent der ungefähr 400 abgelegten Eier eines Weibchens überlebensfähig.

Diese Anomalie tritt bei allen Kammmolcharten auf, also auch beim Nördlichen und beim Donau-Kammmolch. Eine zufriedenstellende Erklärung, warum die Natur hier die Hälfte aller Eier verschwendet, gibt es nicht. Dumm gelaufen halt. Allerdings leben die Kammolche mit dieser genetischen Eigenart wahrscheinlich schon länger auf dieser Welt als der Mensch. Und es gibt jedes Jahr wieder Exemplare, die sich erfolgreich weiter entwickeln und so zeigen, dass sie zu den glücklicheren 50 Prozent zählen.

Mehr zum Thema findet sich in meinem Buch Amphibienbademeister – Zweitberuf am naturnahen Gartenteich.


*) Silke Schweiger, Georg Gassner, Jürgen Rienesl, Günther Wöss: Wien: Amphibien & Reptilien in der Großstadt. Die spannende Vielfalt der urbanen Herpetologie, Wien 2021, S. 92 u. S. 102-103

Einer für alle

Bei Schwärmen denkt man zunächst an Fische oder Stare, aber die Kaulquappen der Erdkröten können das genauso beeindruckend und bilden im Teich dichte Knäuel, um sich dadurch vor Fressfeinden zu schützen. Bei den Erdkröten hat sich die Evolution aber noch einen zweiten Trick einfallen lassen: Sie haben in der oberen Hautschicht einen eingelagerten Botenstoff, der bei Verletzung frei gesetzt wird und bei den Artgenossen eine Fluchtreaktion auslöst. Wird also eine Kaulquappe zum Beispiel von einer Libellenlarve erbeutet und gefressen, warnt sie als letzte Aktion noch einmal ihre Kollegen.*)

Hilft aber nichts. Von über 100.000 Kaulquappen schließen maximal ein paar hundert die Metamorphose ab. Auf schwache Jahre folgen meist stärkere. Letztes Jahr waren Mitte Mai alle Kaulquappen schon weg, und die Libellenlarven blieben hungrig zurück. Deshalb stehen dieses Jahr die Chancen etwas besser, dass es doch ein paar an Land schaffen.

Mehr zum Thema findet sich in meinem Buch Amphibienbademeister – Zweitberuf am naturnahen Gartenteich.


*) Silke Schweiger, Georg Gassner, Jürgen Rienesl, Günther Wöss: Wien: Amphibien & Reptilien in der Großstadt. Die spannende Vielfalt der urbanen Herpetologie, Wien 2021, S. 146

Hochgebirgsquappen

Erdkröte Kaulquappe

In Kurt Mündls sehenswerter Dokumentation über die Schlangen Österreichs sieht man zu Beginn junge Ringelnattern auf der Jagd nach Kaulquappen, und der Sprecher erklärt dazu, die Aufnahmen würden aus dem Hochgebirge stammen, wo es im August noch Kaulquappen gibt. Bislang hätte ich auch gesagt, spätestens Mitte Juni ist in den Tallagen die Metamorphose der Erdkröten abgeschlossen, aber dieses Jahr ist alles anders, und in unserem Teich schwimmen Ende Juli noch die letzten Nachzügler.

Warum die Metamorphose heuer fast zwei Monate länger dauert als sonst, hat mehrere Gründe: Zunächst gab es deutlich mehr Laich, weshalb auch die Nachzügler eine Chance hatten durchzukommen und nicht gleich auf dem Speiseplan ihrer Fressfeinde landeten. Normalerweise gilt hier: Last come, first serve.

Der entscheidende Faktor war aber sicher die geringere Wassertemperatur: Vor allem der Juli war ungewöhnlich kühl und verregnet. Mit jedem nächtlichen Schauer kam kaltes Frischwasser in den Teich, das sich bei bedecktem Himmel kaum aufwärmte. Mittlerweile ist auch der Randbereich so weit verwachsen, dass die Sonne kaum noch durchdringt. Gerade das sonnenbeschienene Flachwasser war bislang immer ein Garant für im Frühjahr rasch steigende Wassertemperaturen.

Ich hoffe nur, dass eine Witterung wie heuer bei uns die Ausnahme bleibt. Im nächsten Sommer hätte ich gern wieder Tallagenbedingungen, aber vielleicht sind diese Gedanken auch bloß ein Merkmal des fortschreitenden Alterungsprozesses: In der Pension werde ich jeden Morgen bei der Tür raus schauen, übers Wetter jammern und mich wieder ins Zimmer setzen.

Ganz der Papa

Junger Springfrosch

Im Gegensatz zu den im vorigen Beitrag beschriebenen Erdkröten, sind die Spring- und Grasfrösche unmittelbar nach Abschluss ihrer Metamorphose voll ausgeformte Frösche. Die beiden Tiere auf den folgenden Bildern unterscheiden sich mehr oder weniger nur dadurch, dass der linke Frosch kaum eineinhalb Zentimeter lang ist und damit nicht viel größer als die Kaulquappen, die den Frosch rechts umschwimmen. Sogar die für Braunfrösche typischen Querstreifen an den Hinterbeinen sind beim Jungtier schon deutlich erkennbar.

Und es besteht auch kaum Gefahr, dass man im Gras unabsichtlich auf einen der kleinen Frösche steigt. Die Tiere schaffen aus dem Stand locker Sprünge von über dreißig Zentimetern, und das mehrmals hintereinander. Nur bei der Landung stehen sie anschließend oft seitlich verdreht und müssen sich erst wieder neu ausrichten.

Auf den Fotos wirken sie ein wenig melancholisch, aber in Wirklichkeit sind sie übermütige Bewegungstalente – im wahrsten Sinne des Wortes immer auf dem Sprung. Und im Wasser sind sie noch schneller als an Land. Sie schwimmen mit den langen Hinterbeinen als hätten sie nie einen Ruderschwanz besessen, und tatsächlich benützen sie die Beine schon zum Forttrieb, während der Schwanz noch dran ist. Diese Lurche schwimmen noch als Kaulquappen schon wie ausgewachsene Frösche, was zwar irgendwie witzig aussieht, aber vielleicht das Geheimnis ist, warum sie diese Gliedmaßen an Land dann so geschickt einsetzen: Sie haben lange genug damit geübt.

Kleine graue Männchen

Junge Erdkröten

Zur Zeit ist es relativ schwierig, die Wiese und die Wege rund um unseren Teich zu betreten ohne auf kleine graue Männchen zu steigen. Wenn sie die Metamorphose gerade erst hinter sich haben, sind die jungen Erdkröten noch fast schwarz, aber mit zunehmender Akklimatisation an das Landleben werden sie deutlich heller. Auf ihren dünnen Beinchen schreiten sie staksig ungelenk durchs Gras. Sie hüpfen auch, aber selten mehr als drei, vier Zentimeter, und wirklich sicher bewegen sie sich nur, wenn sie schwimmen.

Es sind winzige Wasserwesen, die zögerlich das Land erobern. Unfertig, fast amorph wirken sie. Die Amphibien waren vor ungefähr 250 Millionen Jahren unter den ersten, die den Schritt an Land wagten, und sie sind bis heute keine hundertprozentigen Landwirbeltiere geworden. Jedes Jahr im Frühsommer geht die nächste Generation diesen Weg aufs Neue.

Die Erdkröten sind dabei besonders unbeholfen. Sie setzen bei ihrer Vermehrung kompromisslos auf Quantität. Da sie wie alle Froschlurche am Ende ihrer Metamorphose deutlich an Gewicht verlieren, sind die Jungkröten kaum größer als Ameisen, aber ihre Zahl ist beeindruckend, und täglich werden es mehr, denn im Teich schwimmt immer noch ein großer Schwarm Kaulquappen.

Normalerweise ist das ganze Schauspiel Anfang Juni abgeschlossen, aber dieses Jahr war die Laichsaison lang und das Frühjahr kühl, was insofern ärgerlich ist, als man in einem Teich voller Kaulquappen nur schwimmen kann, wenn man entweder blind ist oder über unmenschliche Selbstüberwindung verfügt. Diese Dinger sind nicht wie ein Fischschwarm, der auseinanderstiebt, wenn man ihn aufscheucht. Die schwimmen kaum zielgerichtet, mehr wie Schwebeteilchen, und es ist ausgesprochen unangenehm, sich in so eine schwarze Wolke zu schieben. Mit dem Schwimmen werde ich noch ein bisschen warten müssen, denn auch die zahlreichen Fressfeinde haben keinen Appetit mehr. Man sagt, junge Ringelnattern seien unersättlich, aber selbst die liegen bei uns nur noch am Morgen faul auf den Seerosenblättern in der Sonne.

Junge Ringelnatter

Dieses Jahr sieht es so aus, als wäre die Fortpflanzungsstrategie der Erdkröten voll aufgegangen. Es sind so viele von ihnen durchgekommen wie noch nie zuvor, aber das kann sich schnell wieder ändern, wenn die Fressfeinde nachrüsten, und im Übrigen ist es noch ein langer, gefährlicher Weg, bis die kleinen grauen Männchen nach vier bis fünf Jahren als geschlechtsreife Tiere wiederkehren. Im Moment sehen sie ja noch nicht einmal wie Erdkröten aus, wenn man sich diese abschließende Gegenüberstellung mit einem ausgewachsenen Männchen ansieht.