Die Eidechsen vom Wertheimsteinpark

Mauereidechse

Der Showmaster Hans-Joachim Kulenkampff wurde einmal auf der Straße mit folgenden Worten angesprochen: Sie sind viel kleiner als in Wirklichkeit. Für Mauereidechsen gilt das genauso. Sie sind unauffällig und nicht das, was einem sofort ins Auge springt. Hat man sich im Wiener Wertheimsteinpark aber erst einmal daran gewöhnt, auf vermeintliche Aststücke zu achten, die sich plötzlich bewegen, dann sieht man sie überall.

Den Grund, warum sie in Wirklichkeit ganz anders wirken als auf Fotos, erkennt man erst zu Hause am Bildschirm. Vor Ort war mir nicht bewusst, wie konzentriert sie in die Kamera blicken. Im Park hatte ich geglaubt, sie zu beobachten, dabei war es umgekehrt.

Die Aufmerksamkeit ist lebensnotwendig. Mir sind im Park auch zwei Katzen vor die Füße gelaufen. Gut genährte Freigänger sind in Wien eher eine Seltenheit, und wenn man sieht, dass nicht mehr alle Eidechsen ihren Schwanz haben, dann weiß man, hinter wem die Katzen her sind.

Es gibt in Wien nur eine autochthone Population von Mauereidechsen in einem Steinbruch an der Stadtgrenze. Genetische Untersuchungen haben gezeigt, dass die Eidechsen im Wertheimsteinpark allochthon sind, das heißt, sie stammen ursprünglich aus Südeuropa und wurden vor vielen Generationen hier ausgesetzt. Autochthon bin ich aber wahrscheinlich auch nicht.

Blindschleichen lieben Gummimatten

Blindschleiche

Teichfolie wird rechteckig geliefert. Das ist selten die Form, die man für seinen Gartenteich geplant hat, also sind mir beim Anlegen des Teichs kleine Stücke Kautschukmatte übriggeblieben, die ich seit Jahren für die verschiedensten Zwecke verwende. Man kann zum Beispiel hartnäckiges Unkraut im Gemüsebeet damit abdecken. Dann sieht man es für einige Zeit nicht, denn die Folie ist blickdicht.

Schön sind diese Folienreste nicht, die bei uns in der Ecke im Garten rumliegen, aber darunter ist es warm, und das zieht vor allem im Frühjahr die Blindschleichen an. Wir haben seit längerem eine kleine, aber feine und stabile Population dieser Tiere in unserem Garten. Jedes Jahr gibt es mehrere Sichtungen – nur nicht von mir.

Es kann zum Beispiel passieren, dass unsere Nachbarin auf Besuch kommt und anmerkt, dass sie gerade am Gartentor eine Blindschleiche verschwinden gesehen hat – mit der Betonung auf „verschwinden“. Mrs. Columbo ist sowieso ein ganz großer Fan der beinlosen Eidechsen. Sie braucht nur einen Stein umzudrehen oder im Frühling den Reisigschutz von den Rosen wegzuräumen, schon begegnet ihr eine Blindschleiche, die dann selbstredend rechtzeitig verschwindet, bevor ich mit der Kamera anrücke.

Blindschleiche

Gestern war es aber auch bei mir so weit: Beim Auftragen von Kompost fürs Gemüse wollte ich eine Gummimatte umlegen, und da war sie, die erste Blindschleiche, die ich fotografieren durfte. Selbstverständlich habe ich sie anschließend wieder warm zugedeckt. Der Kürbis muss dieses Jahr woanders hin.

Blindschleiche

Es lohnt sich jedenfalls, in einer sonnigen, unauffälligen Ecke des Gartens ein paar schwarze Folienstücke aufzulegen. Blindschleichen nehmen diese Verstecke gern an. Ich weiß, dass nicht jeder ein Fan der Beinlosen ist, aber sie zeigen sich sowieso nur selten. Wie Heinzelmännchen agieren sie im Verborgenen und vernichten die eine oder andere Schnecke.

Schlangenbesuch

Ringelnatter

Die erste Ringelnatter am Teich habe ich letztes Jahr am 10. April fotografiert, dieses Jahr war es der 30. Nicht zuletzt daran zeigt sich, dass der heurige April im Schnitt um zwei bis drei Grad zu kalt war. Die beiden Schlangen waren mit 50 bis 60 Zentimeter ungefähr gleich groß aber nicht identisch, wie die Gegenüberstellung zeigt.

Es gibt bei uns zwei Farbvarianten. Die rötlich-braune, die ich letztes Jahr aufgenommen habe, kommt fast häufiger vor als die sonst übliche graue. Die meisten Exemplare, die ich sehe, sind übrigens kaum größer als ein Bleistift. Unser Teich taugt mehr als Kinderstube, ab einem gewissen Alter wird er den Tieren dann als Jagdrevier zu klein.

Was ich mir bei den Sichtungen abgewöhnt habe, ist das Herbeirufen aller Verwandten und Bekannten. Meine Begeisterung für diese faszinierenden Gartenbesucher ist leider nicht übertragbar. Dabei sind Ringelnattern ungiftig und ungefährlich. Sie sind nach meinem Empfinden auch keineswegs scheu, wie meist geschrieben steht, sondern eher neugierig und lassen sich aus kurzer Distanz beobachten, wenn man sich nicht hastig bewegt.

Mit der Serienaufnahme habe ich dieses Jahr auch die Zunge aufs Bild bekommen. Im Gegensatz zu Eidechsen wie den Blindschleichen hat die Schlange vorne eine kleine Ausnehmung fürs Züngeln und muss deshalb den Mund nicht öffnen. Wenn man sie nicht beunruhigt, tastet sie so fast ständig ihre Umgebung nach Gerüchen ab.

Auf den ersten Blick sieht man von einer Ringelnatter fast immer nur den Kopf mit den beiden halbmondförmigen Flecken im Nacken. Ich vermute, dass sie damit auch ihre Beutetiere zu täuschen vermag, weil es durch die Zeichnung so wirkt, als wäre der auf dem Wasser schwimmende Kopf schon alles. Tatsächlich ist das zierliche Tier meist länger, als man glaubt, und wenn sie an einem vorbei kriecht, ist man erstaunt, wie viele Zentimeter Schlange zu diesem kleinen Kopf gehören.

Die Ringelnatter schwimmt nicht nur gut, sie taucht auch, aber vor allem im Frühling ist nach ein, zwei Stunden der Beutezug im Teich beendet. Dann muss sie aus dem kalten Wasser, um sich aufzuwärmen, und da wir beide ortskundig sind und den kürzesten Weg ins nächste Gebüsch kennen, sind so die Nahaufnahmen an Land entstanden. Ohne Hast macht sich die Schlange dann im Gestrüpp beeindruckend leicht unsichtbar.

Kleine graue Männchen

Junge Erdkröten

Zur Zeit ist es relativ schwierig, die Wiese und die Wege rund um unseren Teich zu betreten ohne auf kleine graue Männchen zu steigen. Wenn sie die Metamorphose gerade erst hinter sich haben, sind die jungen Erdkröten noch fast schwarz, aber mit zunehmender Akklimatisation an das Landleben werden sie deutlich heller. Auf ihren dünnen Beinchen schreiten sie staksig ungelenk durchs Gras. Sie hüpfen auch, aber selten mehr als drei, vier Zentimeter, und wirklich sicher bewegen sie sich nur, wenn sie schwimmen.

Es sind winzige Wasserwesen, die zögerlich das Land erobern. Unfertig, fast amorph wirken sie. Die Amphibien waren vor ungefähr 250 Millionen Jahren unter den ersten, die den Schritt an Land wagten, und sie sind bis heute keine hundertprozentigen Landwirbeltiere geworden. Jedes Jahr im Frühsommer geht die nächste Generation diesen Weg aufs Neue.

Die Erdkröten sind dabei besonders unbeholfen. Sie setzen bei ihrer Vermehrung kompromisslos auf Quantität. Da sie wie alle Froschlurche am Ende ihrer Metamorphose deutlich an Gewicht verlieren, sind die Jungkröten kaum größer als Ameisen, aber ihre Zahl ist beeindruckend, und täglich werden es mehr, denn im Teich schwimmt immer noch ein großer Schwarm Kaulquappen.

Normalerweise ist das ganze Schauspiel Anfang Juni abgeschlossen, aber dieses Jahr war die Laichsaison lang und das Frühjahr kühl, was insofern ärgerlich ist, als man in einem Teich voller Kaulquappen nur schwimmen kann, wenn man entweder blind ist oder über unmenschliche Selbstüberwindung verfügt. Diese Dinger sind nicht wie ein Fischschwarm, der auseinanderstiebt, wenn man ihn aufscheucht. Die schwimmen kaum zielgerichtet, mehr wie Schwebeteilchen, und es ist ausgesprochen unangenehm, sich in so eine schwarze Wolke zu schieben. Mit dem Schwimmen werde ich noch ein bisschen warten müssen, denn auch die zahlreichen Fressfeinde haben keinen Appetit mehr. Man sagt, junge Ringelnattern seien unersättlich, aber selbst die liegen bei uns nur noch am Morgen faul auf den Seerosenblättern in der Sonne.

Junge Ringelnatter

Dieses Jahr sieht es so aus, als wäre die Fortpflanzungsstrategie der Erdkröten voll aufgegangen. Es sind so viele von ihnen durchgekommen wie noch nie zuvor, aber das kann sich schnell wieder ändern, wenn die Fressfeinde nachrüsten, und im Übrigen ist es noch ein langer, gefährlicher Weg, bis die kleinen grauen Männchen nach vier bis fünf Jahren als geschlechtsreife Tiere wiederkehren. Im Moment sehen sie ja noch nicht einmal wie Erdkröten aus, wenn man sich diese abschließende Gegenüberstellung mit einem ausgewachsenen Männchen ansieht.

 

 

 

Madame Voldemort und der Springfrosch

Ringelnatter fängt Springfrosch

Im Frühjahr frage ich mich immer, ob die Freunde vom letzten Jahr den Winter gut überstanden haben. Gespannt sucht man nach dem ersten Igelkot, späht am Abend nach den Fledermäusen und stöbert in der warmen Nachmittagssonne nach den Blindschleichen und der Ringelnatter.

Und dann ist sie tatsächlich da, die heimliche Königin des Gartenteichs. Zuerst ist es nur ein Rascheln im Efeu. Aber kaum ist sie richtig aufgewärmt, wagt sie auch schon den ersten Ausflug ins kühle Nass.

Nicht alle haben sich über dieses Wiedersehen so gefreut wie ich, denn es hat keine Viertelstunde gedauert, da war plötzlich Bewegung vor der Kamera. Ein kurzer Ruck und die Ringelnatter hat zugeschlagen. So eine Winterpause macht halt hungrig.

Der Springfrosch hätte auf diese Begegnung gern verzichten können. Er hatte aber Glück im Unglück und kam mit dem Schrecken davon. Nach längerem Ringen erwies sich diese Beute nämlich als zu groß für unsere Freundin, sie musste ihn wieder loslassen, und der Frosch schwamm unversehrt zurück in die Tiefe. Würde mich nicht wundern, wenn dieses Abenteuer eine blitzförmige Narbe auf seiner Stirn zurück gelassen hat.