Saisonauftakt

Erdkrötenpaarung

Die Eröffnung der Amphibienbadeanstaltssaison ist fast so kompliziert wie das Wort lang ist. Normalerweise entgeht mir der Auftakt. Ich sehe immer nur einen ersten Laichballen der Grasfrösche. Die Tiere selbst bleiben unentdeckt.

Nicht so dieses Jahr. Vor einer Woche war der Teich noch zugefroren, doch dann ging alles schnell. Eine kräftige Westströmung brachte deutlich wärmeres Wetter und gleichzeitig leichten Regen. Das sind ideale Bedingungen für unsere Frühlaicher, und sie haben mich nicht enttäuscht.

So sehen sie also aus, die ersten abendlichen Badegäste und ihr Laich, der am nächsten Morgen im Teich schwimmt. Am selben Tag habe ich auch die ersten Erdkröten entdeckt. Man liest in der Fachliteratur viel über den gestaffelten Beginn der Laichsaison: Die Braunfrosche kommen zuerst, zwei bis drei Wochen später die Erdkröten.

Tatsächlich kommen bei uns Springfrösche, Grasfrösche und Erdkröten gleichzeitig. Bei den Erdkröten dauert die Paarung nur etwas länger. Während die Frösche alles in einer Nacht erledigen, klammern die Kröten bis zu einer Woche.

Das Erdkrötenpärchen auf dem letzten Foto wirkt noch nicht ganz munter. Wenn man bedenkt, dass sie gerade erst aufgestanden sind und davor fünf Monate geschlafen haben, kann man aber verstehen, dass sie noch nicht mit voller Leidenschaft bei der Sache sind. Dafür steht ihnen jetzt ein langer Sommer bevor, um frische Kraft zu tanken. Der Winter ist vorbei, und was aussieht wie ein Anflug von Schnee, sind nur noch die Samen des letzten Rohrkolbens.

Gruppenbaden

Erdkrötenpaarung

Das Paarungsverhalten der Erdkröten ist klar geregelt: Gleichgeschlechtlich eher nicht, Nekrophilie manchmal und in der Gruppe eigentlich immer. Dahinter stehen aber keine Moralvorstellungen, sondern einzig das Bedürfnis, seine Gene möglichst erfolgreich weiterzugeben.

Die Erdkröten haben keine Schallblasen, ihr Ruf ist deshalb leise, aber dafür beherrschen sie nicht nur einen Lockruf, sondern auch einen deutlich anders klingenden Abwehrruf. Diesen hört man an einem überfüllten Teich ständig, denn die unverpaarten Männchen klammern sich an alles, auch an andere Männchen, und sobald das Opfer lautstark protestiert, lässt das zweite Männchen wieder los.

Oft verteidigen die abwehrenden Männchen weniger sich selbst als vielmehr das Weibchen, auf dem sie sitzen, und dabei geht es um Leben und Tod, denn ein Weibchen, an dem zu viele Männchen hängen, läuft Gefahr, das Fortpflanzungsgeschehen nicht zu überleben. Da hilft nur noch, das Knäuel mit dem Kescher aus dem Teich zu holen und außerhalb vom Wasser wieder abzuladen. Anschließend lassen die seitlich anhängenden Männchen los, bis nur noch das ursprüngliche Pärchen überbleibt. Nach einer kurzen Verschnaufpause wirft sich das Weibchen mit Anhang wieder ins Wasser – todesmutig für die Arterhaltung.

Zumindest bei den Erdkröten ist die Liebe manchmal stärker als der Tod. Der eine oder andere Galan hält seine bleiche Schönheit noch im Arm, obwohl sie sich längst nicht mehr regt und langsam unangenehm zu riechen beginnt. So ein amouröses Abenteuer kann nachhaltig traumatisieren. Und wie der Held in der klassischen Tragödie weiß auch dieser kleine Kerl nichts von seiner Mitschuld am eigenen Unglück.

In moderatem Umfang führt das Paarungsgedränge aber auch zu einem besseren Fortpflanzungserfolg. Von den bis zu 5000 Eiern, die eine heimische Erdkröte ablegt, sind eigentlich immer alle befruchtet, und das nicht ausschließlich vom selben Männchen. Untersuchungen haben gezeigt, dass bis zu 30 Prozent aller Laichschnüre verschiedene Väter haben. Das kann daran liegen, dass ein stärkeres Männchen seinen Vorgänger im Laufe der Paarung verdrängt, oder daran, dass ein zweites klammerndes Männchen ebenfalls erfolgreich befruchtet.

Ich bin sicher, dass vor allem für Neulinge unter den Gartenteichbesitzern die Ausfallsquote bei den Krötenweibchen psychisch belastend sein kann, denn in der Zugriffsstatistik dieses Blogs dominiert jedes Frühjahr der Beitrag „Wie Kröten sterben“ aus dem Jahr 2019, und mich erreichen auch immer wieder Anfragen zu diesem Thema. Umso mehr Kröten sich im Gewässer treffen, desto geringer ist allerdings die Opferzahl. Oft sitzen die verpaarten Tiere im Rund an einer Stelle des Teichs zusammen, wie auf dem letzten Foto zu sehen. Dadurch fällt es den Männchen leichter, etwaige Angriffe abzuwehren.

Erdkröten setzen bei der Fortpflanzung auf eine ausgeprägte r-Strategie, das heißt, sie versuchen, so viele Nachkommen wie möglich in die Welt zu setzen, damit wenigstens ein paar durchkommen. Da ist es nur konsequent, wenn Gruppenpaarung zusätzliche Sicherheit und somit einen weiteren Vorteil bringt.

Erdkrötenpaarung im August

Erdkrötenpaarung im August

Der 15. August war dieses Jahr ein Samstag. In der Früh habe ich Fadenalgen und Pflanzen aus dem Teich entfernt. Das mache ich selten, weil man immer jede Menge Getier erwischt, wenn man das Grünzeug rauszieht, aber gegen Ende des Sommers ist vergleichsweise wenig los, und dann geht das.

Plötzlich habe ich eine Erdkröte zwischen den Fingern. Ich zucke zurück, weil solche Funde oft tot sind, und das ist eklig, aber diese hier lebt noch und hat ein Männchen im Rücken sitzen. Zumindest kommt es mir so vor, aber bevor ich mir die zwei genauer ansehen kann, sind sie auch schon abgetaucht.

Am Nachmittag habe ich Brombeeren geerntet. Ich mache das vom Schlauchboot aus, weil die Ranken mittlerweile so weit übers Wasser ragen, dass man anders nicht rankommt. Und da sind sie wieder, die Erdkröten. Vielleicht ist es auch ein anderes Pärchen. Ich hole mir schnell das Tablet, und diesmal gehen sich ein paar Fotos aus, aus kürzester Distanz. Auf dem einen sieht man noch eine Brombeere im Wasser schwimmen, die Blätter sind von der Seekanne. Der Sommer geht zu Ende, und die Kröten tun so, als wäre März.

Ich suche im Netz nach einer Erklärung, finde aber nichts. Warum machen die das? Probesitzen? War ihnen die Hauptsaison zu überlaufen? Das Wasser im Frühling zu kalt? Oder machen die das – ich traue mich gar nicht, es zu formulieren – einfach nur so zum Spaß?

Nach über einer Woche kann ich sagen: Abgelaicht haben sie nicht. Sie haben quasi aufgepasst, dass der Storch nicht kommt. Aber wirklich schlau werde ich aus diesem Verhalten nicht. Ich habe schon letztes Jahr Ende Juli eine männliche Erdkröte im Teich fotografiert. Und Paarungsrufe habe ich diesen Sommer auch vereinzelt gehört. Kann sein, dass die das öfter machen? Im Frühjahr zur Arterhaltung und im Sommer, weil einmal im Jahr selbst einer Kröte nicht reicht? So ein Lurch hat halt auch seine Gefühle!

Badeschluss

Krötenpaarung

Die Laichsaison der Erdkröten ist bei uns für dieses Jahr zu Ende, und sie war anders als sonst. Im Jahr 2016 haben zum ersten Mal zwei Pärchen in unserem Teich abgelaicht. Danach ging die Zahl mal rauf, mal runter, im Schnitt waren es meist um die fünf erfolgreiche Paarungen.  Dieses Jahr wurden wir völlig überlaufen. Bei zwanzig Pärchen habe ich aufgehört zu zählen. Es waren sicher deutlich mehr. Ich habe einfach den Überblick verloren.

Auf den Fotos lässt sich das Gewirr an Laichschnüren nur schwer wiedergeben. Fleißig haben die Amphibien unzählige Linien zwischen den Wasserpflanzen gespannt. Wie viele Eier es sind, kann ich kaum abschätzen, deutlich sechsstellig ist die Zahl auf jeden Fall. Eine gewaltige Kaulquappenwolke wird in den nächsten Wochen vom Teich Besitz ergreifen, aber nur ein kleiner Prozentsatz wird die Metamorphose abschließen. Libellenlaven, Molche und Ringelnatter holen sich ihren Anteil.

Mit dem milderen Winter allein lässt sich das stark erhöhte Aufkommen der Erdkröten nicht erklären. Da steckt meiner Meinung nach etwas anderes dahinter: 2016 war die erste Saison, und nach drei bis fünf Jahren werden die Tiere geschlechtsreif. Also ist es höchstwahrscheinlich die Enkelgeneration die jetzt heranreift. Denn noch etwas war dieses Jahr deutlich anders: Es waren nicht nur sehr viel mehr Erdkröten, auch der Anteil der Weibchen war deutlich höher. Es kann durchaus sein, dass die Männchen wanderfreudiger sind und zuerst neue Gewässer in Beschlag nehmen, während die Weibchen bevorzugt an das Herkunftsgewässer zurückkehren.

Da weniger überzählige Männchen im Teich herumschwammen, ging die Paarungszeit trotz Massenansturms relativ friedlich vorüber. Die Weibchen konnten in Ruhe ihre Laichschnüre absetzen, und es gab kaum Mehrfachpaarungen.

Wenn sich zu viele Männchen an ein Weibchen klammern, kann das nämlich gefährlich werden. Ich gehe dann vorsichtig mit dem Rohrstaberl dazwischen und versuche, die überzähligen Männchen so lange zu irritieren, bis sie wieder loslassen.

Das ist eine lohnende Aufgabe, in der ich nach langem Suchen endlich meine Bestimmung gefunden habe: Amphibienbademeister! Vor allem der Arbeitsaufwand kommt meiner inneren Einstellung sehr entgegen. Die Saison ist kurz, und für die Erwachsenen ist jetzt einmal Badeschluss.

Sonntag ist Badetag

Erdkröte Paarung

Wenn man am Abend mit der Taschenlampe durch den Garten geht, sieht man zurzeit die Erdkrötenmännchen hochaufgerichtet im Gras und auf den Wegen sitzen. Abseits vom Teich haben sie wahrscheinlich bessere Chancen ein wanderndes Weibchen abzupassen.

Vier Pärchen habe ich im Wasser bereits entdeckt. Die Weibchen wirken kräftig und gut genährt. Der kurze Winter hat sie nicht zu sehr strapaziert. Und wenn die Sonne am Sonntag Nachmittag die Wasseroberfläche bescheint, wagt die eine oder andere Krötendame ein paar kräftige Stöße und schiebt sich mit ihrer Last nach oben, um Luft zu schnappen und Wärme zu tanken.

Auch einzelne Männchen können nicht widerstehen und wagen den einen oder anderen Blick über die Wasseroberfläche, wobei drei Augen natürlich mehr sehen als zwei.

Krötenweibchen büßen durch ein fehlendes Auge offensichtlich wenig an Attraktivität ein. Dabei kommt ihnen zugute, dass die Männchen deutlich in der Überzahl sind und deshalb nicht zu anspruchsvoll sein dürfen. Andererseits verläuft die Paarung eine ganze Woche lang ohne Stellungswechsel – es ist also gut möglich, dass der Galan den kleinen Schönheitsfehler seiner Auserwählten noch gar nicht bemerkt hat.