Wilder Feger in der Stadt

Manchmal macht sich ein kurzer Spaziergang bezahlt, wenn man in der Früh auf dem Weg ins Büro ist. Heute Morgen habe ich einen kleinen Abstecher nach Oberlaa gemacht. Die kleinteilige Landwirtschaft auf dem Wiener Stadtgebiet, zwischen Wohnsiedlungen und Industrieanlagen, ist mittlerweile ein sehr wichtiger Rückzugsbereich für viele Wildtiere, vor allem wenn diese Bereiche noch Anbindung an das Umland haben, wie das am Oberlaaer Goldberg der Fall ist.

In einem kleinen Weingarten bemerkte ich eine Bewegung im Gras. Zuerst hielt ich es für einen Hasen, aber durchs Teleobjektiv entdeckte ich einen Rehbock, der gerade dabei war, die Basthaut seines Geweihs zu verlieren. Die linke Hälfte war bereits frei gelegt, die rechte noch von den leicht blutigen Resten der Haut überzogen.

Daneben lagerten zwei weibliche Rehe. Die Tiere ließen sich durch mich nicht stören und fraßen seelenruhig weiter. Was will man auch von Rehen anderes erwarten, die ihr Quartier mitten im besiedelten Gebiet gewählt haben. Im Hintergund liegt der Wiener Zentralverschiebebahnhof, wo permanent die Güterzüge durchrattern, und hinter meinem Standpunkt ist eine Siedlung mit Einfamilienhäusern. Während ich fotografierte, ging ein Mann mit Hund hinter mir vorbei, und ein anderer joggte in die Gegenrichtung. Ein äsendes Stadtreh hebt in so einem Fall nicht einmal den Kopf. Erst wenn man das Teleobjektiv in Stellung bringt, wird man kurz inspiziert, aber gleich danach wird das Frühstück fortgesetzt.

19 Kommentare zu „Wilder Feger in der Stadt

  1. Superschöne Situations- und Nahaufnahmen! Es ist schon bemerkenswert, dass sich ungestörte Lebensräume in der städtischen Umgebung offenbaren, während das tierische Leben auf dem Lande mancherorts kaum noch Rückzugsmöglichkeiten findet. Das Problem werden höchstens die Verbindungen zwischen solchen Inseln sein.

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    1. Die Verbindungen zwischen diesen Inseln sind eine ganz wichtige Sache. Rehe und Vögel sind mobiler als andere Tiere. Hamster, Ziesel, Kaninchen nutzen solche Bereiche auch, sind aber stark auf die Korridore angewiesen, um den genetischen Austausch zu gewährleisten.

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    1. Danke. Das Witzige ist, ich war keine zehn Minuten unterwegs. Ich habe an der Stelle eigentlich ganz andere Tiere gesucht und nicht gefunden. Die Rehe waren quasi ein Zufallsfund. Aber das war sicher nicht mein letzter Morgenspaziergang in Oberlaa.

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    1. Ist wahrscheinlich auch so eine Art Selektion. Die weniger Schreckhaften wohnen in Menschennähe, die anderen bleiben im Wald. Rehe sind außerdem ziemlich clever. Die wissen ganz genau, dass neben der Nobelwohnsiedlung kein Jäger mit dem Gewehr herum ballert.

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      1. Sicher, situtaiv erworbenes Wissen.

        Im Netz sah ich einst Raubkatzen, die ein Krokodil attackierten. Sie wollten es wohl loshaben, weil es unweit Futter gab. Interessant, wie einzelne davon sich recht nahe vorwagten.

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  2. Ich habe schon öfter festgestellt, dass Rehe sehr genau unterscheiden, wo gejagt wird und wo nicht. Außerdem unterscheiden sie nach meiner Beobachtung eindeutig Reiter, Spaziergänger, Hund mit und ohne Leine, und Jäger.

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  3. Hallo Richard.
    Vielleicht verhält es sich dabei genauso wie mit den Tauben, wovon du letztens berichtet hast. Manche Tiere sind die menschliche Nähe gewohnt und schrecken nicht so schnell hoch.
    Unser erstes Kaninchen kam aus einer Stallzucht und war Anfangs ängstlicher. Die Jetzigen kannten von Klein auf das Leben und die Geräusche in einer Wohnung. Sie sind weniger schreckhaft und völlig relaxt.
    LG, Nati

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    1. Hallo Nati,
      die Tiere sind anscheinend sehr lernfähig.
      Bei mir kommt das Thema Stadt-Land halt immer wieder, weil wir zwei Wohnsitze haben. Anfangs war der Garten für den Blog Thema genug, aber über den Winter hinweg verschwindet der halt unterm Schnee. Und dann habe ich nach anderen Motiven gesucht und bin in der Stadt fündig geworden. Für mich ist es immer noch überraschend, wie schnell ich auf dem Weg zu und von der Arbeit mitten in der Stadt zu brauchbaren Fotos komme. Dieses Thema beschäftigt mich, und – auf die Gafahr hin, dass ich mich wiederhole – aber es wird noch öfter kommen, nicht nur mit Tauben und Rehen.
      LG, Richard

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