Die Metamorphose der Laubfrösche

Laubfrosch Kaulquappe

Die Verwandlung von Kaulquappen ist faszinierend. Keine andere Wirbeltiergruppe durchläuft im Laufe ihres Wachstumsprozesses so eine komplexe Metamorphose wie die Amphibien. Schritt für Schritt vollziehen die Larven eine Veränderung nach der anderen, bis am Ende ein fertiger, kleiner Frosch übrig bleibt. 1960 beschrieb Kenneth Gosner bei den Krallenfröschen 46 verschiedene Entwicklungsstufen, die noch heute eine gängige Einteilung darstellen. Ein paar dieser Gosner-Stadien finden sich auf den folgenden Fotos unseres Laubfrosch-Nachwuchses.

Zuerst werden kleine, funktionslose Hinterbeine aus der kugelförmigen Hülle gestülpt, die nach einer Woche schon an Froschbeine erinnern und fleißig bewegt werden. In weiterer Folge wachsen unter den Kiemendeckeln die Vorderbeine. Wenn sie erscheinen, sind sie bereits fertig ausgebildet. Mit dem langen Schwanz sieht die Kaulquappe jetzt ein bisschen aus wie eine Xenomorph-Variante aus den Alien-Filmen.

Das erste Tier hat 58 Tage nach dem Ablaichen das Aquarium verlassen. Laut Wikipedia dauert dieser Prozess je nach Nahrungsangebot und Temperatur zwischen 50 und 80 Tage. Damit liegt unsere Aufzucht im guten Mittelfeld und das heißt, die Fütterung war richtig. Am liebsten hatten sie Zucchini. Erst zum Schluss habe ich Lebendfutter wie weiße Mückenlarven, Cyclops und Wasserflöhe aus dem Gartenteich angeboten, aber das hätte ich mir wahrscheinlich auch sparen können. Der Umstieg auf karnivore Ernährung erfolgt erst ganz am Ende der Metamorphose.

Zur Zeit verlässt ein Laubfrosch nach dem anderen das Aquarium. Ich habe zwanzig Kaulquappen aus dem Laichgewässer gerettet, und ich denke, es sind fast alle durchgekommen. Die letzten drei Fotos zeigen dasselbe Tier. Im Wasser erkennt man noch ein kurzes Stück Schwanz, das an Land keine Verwendung mehr hat. Es wird in den nächsten Stunden weiter rückgebildet und absorbiert. Danach ist der Frosch fertig und macht sich daran, aus dem Becken zu klettern und die Welt zu erkunden.

Ich bin gespannt, ob ein paar der Tiere in den nächsten Jahren zurückkehren werden, um selbst für Nachwuchs zu sorgen. Wir werden es kaum überhören können. Es besteht eine große Wahrscheinlichkeit, dass uns die zukünftigen Paarungsrufe dieser kleinen Kerle ein paar Stunden unseres Schlafs kosten werden. Bis dahin ist meine Aufgabe aber erledigt: Live loud and prosper!

Wildes Treiben am Mönchspfeffer

Taubenschwänzchen

Der Mönchspfeffer stammt ursprünglich aus dem Mittelmeerraum. Das Exemplar in unserem Garten ist mittlerweile zwei, drei Meter hoch, und seine Blüten sind der perfekte Ort für Wildbienen, Falter und faule Makrofotografen, die nicht gern den Standort wechseln.

Statt der sonst allgegenwärtigen Honigbienen trifft man hier an einem sonnigen Morgen im Juli auf die verschiedensten Hummelarten.

Neben den Wald-, Wiesen- und Ackerhummeln findet sich auch eine große Holzbiene. Dazwischen gehen die zahlreichen winzigen Arten, die am Mönchspfeffer auch ihre Freude haben, beim Fotografieren fast unter.

Die folgende Biene ist auffällig groß. Es handelt sich um die Asiatische Mörtelbiene, sie wurde 2008 zum ersten Mal in Frankreich entdeckt, seit 2017 ist sie auch in Österreich nachgewiesen. Auf den Fotos sieht man ein Weibchen. Das etwas kleinere Männchen, von dem es immer wieder bedrängt wurde, war mir zu schnell. In jedem Fall kann man davon ausgehen, dass die Art in Zukunft auch bei uns heimisch wird.

Zwischen all den Wildbienen gibt es diverse Falter wie das Taubenschwänzchen, den Malven-Dickkopffalter und den Hauhechel-Bläuling.

Sogar eine schicke Beerenwanze interessiert sich für die wohlschmeckenden Blüten dieses mediterranen Strauchs.

Der Mönchspfeffer ist aber nicht nur für Insekten nützlich. Er ist auch eine Heilpflanze, deren Früchte gegen das prämenstruelle Syndrom eingesetzt werden. Außerdem wirkt Vitex agnus-castux, das „keusche Lamm“, lusthemmend. Über diese vielfältige Wirkung wussten schon die alten Griechen Bescheid, und sie ließen die Pflanze in ihre Mythen einfließen. Einmal im Jahr vereinigte sich Hera unter einem Mönchspfeffer mit Zeus, danach nahm sie ein Bad im Fluss Imbrasos und erlangte so ihre Jungfreulichkeit zurück.

In Mitteleuropa wurde die Pflanze zu Beginn vor allem in Klöstergärten angebaut. Die Samen dienten als Pfefferersatz und halfen den Mönchen bei der Einhaltung ihres Keuschheitsgelübdes. Das hat, wie wir aus der Geschichte wissen, nicht überall gleichermaßen funktioniert. In den venezianischen Klöstern, die Casanova und andere junge Adelige frequentierten, bekam dem Mönchspfeffer wahrscheinlich das Klima nicht, und so mancher Bischof, der aus der Kirchenkasse Geld veruntreute, um damit die Alimente für seine Kinder zu bezahlen, hat womöglich das scharfe Essen nicht vertragen.

Schildkröten im Floridsdorfer Wasserpark

Gelbbauch-Schmuckschildkröte, Europäische Sumpfschildkröte

Der Floridsdorfer Wasserpark ist eigentlich der obere Teil der Alten Donau, also ein Restbestand des ursprünglichen Flussverlaufs, bevor die Donau begradigt wurde. Es gibt hier noch Bestände der Europäischen Sumpfschildkröte, der einzigen in Mitteleuropa heimischen Schildkrötenart. Die Tiere sind allerdings schwer zu finden unter all den Nordamerikanischen Schmuckschildkröten, die hier ausgesetzt wurden und sich im Sommer mit den Graureihern die Sonnenplätze teilen.

All diese Tiere, meist Gelbbauch-Schmuckschildkröten, waren irgendwann mehr oder weniger geliebte Haustiere, bis sie fürs Terrarium und die Stadtwohnung zu klein wurden. Anschließend wanderten sie ins Freie, und dort werden sie sich mit zunehmendem Klimawandel noch lange halten, denn die Tiere haben eine hohe Lebenserwartung und die Winter werden milder.

Das ist schade, denn der Naturlebensraum in der Stadt ist begrenzt, und gute Sonnenplätze sind rar. Wer als Letzter kommt und sich nicht durchsetzen kann, muss manchmal stundenlang auf einem Stein balancieren.

Hier beginnt das Suchspiel des heutigen Beitrags. Auf diesen Bildern sieht man immer mindestens ein Stück einer Europäischen Sumpfschildkröte. Ich habe mir vor ein paar Tagen die Mühe gemacht und alle Schildkröten, die ich im Park finden konnte, mit dem Teleobjektiv abfotografiert. Sicher bestimmen konnte ich sie dann erst zu Hause am Bildschirm. Auf dem ersten Bild ist es der Panzer links oben, auf dem zweiten das Exemplar links und in der Reihe unten sind es die Tiere zwei und vier von links. Auf dem nächsten Bild ist die Sache ganz eindeutig, hier sieht man wahrscheinlich ein Männchen.

Europäische Sumpfschildkröte

Die Europäische Sumpfschildkröte ist eine relativ langschwänzige Art. Die Kloake liegt hinter dem Panzerrand, und an dieser Stelle ist der Schwanz bei den Männchen verdickt. Dass uns dieses hübsche Exemplar die Kehrseite zeigt, ist also kein Nachteil, wenn es um die Bestimmung geht.

Intakte Populationen gibt es heute in Mitteleuropa kaum noch. Die Donau-Au weiter flussabwärts ist eines der letzten Rückzugsgebiete. Früher waren die Tiere in Österreich weit verbreitet, was wir wahrscheinlich dem Katholizismus zu verdanken haben. Vor allem in den Klostergärten gab es immer wieder beträchtliche Vorkommen. Schildkröten sind deutlich leichter zu züchten als Biber, und sie zählten wie diese laut päpstlichem Erlass zu den erlaubten Fastenspeisen.1

Heute könnte man diese Tradition wieder aufnehmen und im Sinne des Artenschutzes die eingeschleppten Terrarientiere verzehren, aber das wird sich nicht durchsetzen. Unseren Speiseplan bestimmen Tradition und Religion, aber selten die Vernunft. Sinnvoller ist eine Ausweitung des Importverbots, das es für die Rotwangen-Schmuckschildkröte bereits gibt. Dann werden im Floridsdorfer Wasserpark vielleicht ein paar zusätzliche Sonnenplätze frei, und die Europäische Sumpfschildkröte hat eine Chance, ihre noch vorhandene Population weiter zu etablieren.


  1. Vor allem vom 17. bis zum 19. Jahrhundert wurden sie in Wien verspeist:
    https://www.derstandard.at/story/2000133077330/schildkroeten-das-superfood-der-fruehen-neuzeit ↩︎

Die Kaulquappe

Kaulquappe Laubfrosch

Kaulquappe ist ein lustiges Wort. Alle Wörter mit K sind an und für sich lustig, aber dieses besonders. Es setzt sich aus Teilen zusammen, die heute nicht mehr gebräuchlich sind. Der Grimm kannte auch noch die Synonyme Kaulfrosch und Kaulkopf oder Kullkopf, und damit wären wir schon bei der Bedeutung, denn Kulleraugen sind ja bekanntlich auch groß und rund. Quappeln wiederum ist eine zitternde, wabernde Form der Bewegung, und so ist die Kaulquappe ein kugelförmiges Wesen, das sich wuselnd fortbewegt.

Für die zierlichen Larven der Erdkröte gilt das vielleicht weniger, aber manche Arten fressen, bis man Angst hat, dass sie platzen. Die Kaulquappen der Laubfrösche zum Beispiel sind in erster Linie einmal rund und dick, und wenn man ein paar Stunden später wiederkommt, sind sie noch runder und dicker.

Mein improvisiertes Laichbecken wurde irgendwann von kleineren Schwimmkäfern und anderen Fressfeinden entdeckt. Ich glaube nicht, dass der Laubfrosch-Nachwuchs durchgekommen wäre, also habe ich die letzten zwanzig Exemplare in ein kleines Aquarium gefischt, wo sie sich prächtig entwickeln. Aus der Ferne sehen sie mittlerweile aus wie trächtige Guppy-Weibchen. Bei genauerer Betrachtung fehlen ihnen aber die Brust-, Bauch- und Afterflossen. Ihre Gliedmaßen bekommen sie ja erst.

Bis dahin sind sie unförmige Fressmaschinen, die ich mit Gemüse- und Fleischresten füttere – Hauptsache bio, weichgekocht und in homöopathischen Dosen, damit das Wasser nicht kippt. Wenn sie groß genug sind, werden sie die überzählige Masse für die Metamorphose brauchen, bei der sie wieder deutlich an Gewicht verlieren. Hier kommt quasi Quantität vor Qualität: Zuerst wird eine unförmige Kugel angefressen, danach wird der Körper in Form gebracht. Bei mir war die Entwicklung umgekehrt.

Plötzlich erwachsen

Stieglitz Jungvogel

Ende Mai war bei uns die erste Stieglitzbrut flügge. Gewissenhaft haben die Vogeleltern ihren Jungen die Welt erklärt. Der ganze Trupp wurde in einem Obstbaum oder einem Strauch abgeladen, und die Jungtiere mussten lernen, sich ihr Futter zusammenzusuchen – immer unter dem wachsamen Blick eines der Elterntiere.

Anschließend gab es eine Einschulung, wie man der Reihe nach am Gartenteich trinkt, während immer mindestens einer Schmiere steht. Die Stieglitzfamilie kommt mehrmals am Tag vorbei. Wer mag, trinkt einen Schluck, aber bei der kleinsten Irritation sind alle weg. Am Teich sind sie vorsichtig.

Nach zwei, drei Wochen sind die Jungen erwachsen. Mich erstaunt jedes Jahr, wie schnell das geht. Kaum sind sie flügge, schon müssen sie allein zurechtkommen. Nur an der fehlenden roten Gesichtsmaske kann man sie noch von den Erwachsenen unterscheiden. Das Flauschige, Putzige haben sie abgelegt, und manche sind mittlerweile nicht nur selbständig, sondern auch deutlich mutiger als ihre Artgenossen.

Stieglitz Jungvogel

Vom Teichrand mögen die anderen trinken, dieser Jungvogel sitzt mitten drin auf den Seerosen. An dieser Stelle ist das Wasser einen halben Meter tief, aber das kümmert ihn nicht.

Dass Vögel im Turbogang heranwachsen, liegt an ihrem speziellen Stoffwechsel. Ihre Körpertemperatur liegt bei 42 Grad, und auch die Lungen sind deutlich leistungsfähiger konstruiert, sonst könnten sie den Körper nicht mit ausreichend Sauerstoff für den Flug versorgen.1 Die kleinwüchsigen Arten haben außerdem eine kurze Lebenserwartung. Während ein Papagei 90 Jahre alt werden kann, liegen vor dem jungen Stieglitz im Idealfall sieben bis acht Jahre, in denen er selbst für Nachwuchs sorgen kann.

Für die Eltern ist ihre Aufgabe dieses Jahr noch nicht erledigt. Sie gönnen sich nur kurz eine Pause. Auf den folgenden Bildern sieht man das Männchen rechts im Hintergrund. Es hat die kräftigere Färbung und die rote Gesichtsmaske reicht bis hinter das Auge. Aufmerksam behält es den Fotografen im Blick, während seine Partnerin trinkt.

Im Sommer ist das für die beiden ein seltener Moment der Zweisamkeit. Mittlerweile sind neue Jungvögel unterwegs. Stieglitze brüten oft zweimal pro Saison. Das müssen sie auch, denn nur wenige Tiere werden wirklich sieben oder acht Jahre alt. Da haben Sperber, Katzen und andere etwas dagegen.


  1. Der Unterschied im Metabolismus von Säugetieren und Vögeln findet sich sehr schön erklärt in: Josef. H. Reichholf: Das Leben der Eichhörnchen, München 2019, S. 86-94 ↩︎