Der Tigerschnegel – Schneckenjäger oder Vegetarier?

Durchforstet man das Internet nach Angaben zum Tigerschnegel, könnten die Ergebnisse nicht unterschiedlicher sein. Die einen behaupten, man muss in ihrem Shop nur zehn Exemplare bestellen, und schon hat man seinen Garten nachhaltig von der Spanischen Wegschnecke befreit. Die anderen sind überzeugt, dass der Tigerschnegel in Wirklichkeit ein Vegetarier ist und sein Ruf als Schneckenjäger auf einem Irrtum beruht. Aber was davon lässt sich belegen? Ist er Nützling oder geht er an den Salat wie die anderen Schnecken auch?

Eigentlich sollte ich das wissen, denn der abendliche Streifzug mit Stirnlampe ist für mich eine regelmäßige Übung, und meine Aufmerksamkeit gilt dabei oft den Schnecken. Schließlich will ich mein Gemüse behalten. Übers Jahr verteilt ist der Tigerschnegel dabei die häufigste Schneckenart, die ich im Garten finde. Was die Körpermasse betrifft, dominiert er das Geschehen sowieso, denn die Tiere sind riesig. So um die 17 Zentimeter werden ausgewachsene Exemplare bei uns.

Tigerschnegel

Den Tigerschnegel auf dem Foto kenne ich schon länger. Er ist dunkler als seine Artgenossen und wohnt unter einem bestimmten Steinhaufen. Er beginnt seinen nächtlichen Streifzug meist zielstrebig in östliche Richtung. Den Unterschlupf teilt er sich mit einem helleren Exemplar. Der Kollege hat es nicht so eilig und folgt mit ein paar Metern Abstand.

Tigerschnegel

Jeder Tigerschnegel hat seinen Stammplatz. Gesellschaft mag er eher nicht, deshalb sollte man für einen größeren Bestand Steinhaufen und Totholzansammlungen möglichst so über den Garten verteilen, dass viele feuchte und kühle Verstecke entstehen. Der folgende Unterschlupf bietet mehreren Tieren ein geeignetes Tagesversteck.

Schneckenburg

Aus den Steinhaufen kriechen dann in der Dämmerung zunächst einmal die Spanischen Wegschnecken. Auch sie nützen die feuchten Stellen, um den heißen Tag zu überdauern, aber sie brauchen diese Rückzugsmöglichkeiten nicht zwingend. Ein Wurmloch im Boden, in das sie sich zwängen, reicht ihnen schon.

Tigerschnegel

Hie und da finde ich einen Tigerschnegel im Hochbeet zwischen dem Lollo Rosso. Der darf dann bleiben. Der Salat ist am nächsten Morgen immer noch da, denn eine gesunde Pflanze hat vom Tigerschnegel wenig zu befürchten. Seine Nahrung muss weich und modrig sein, am besten vorverdaut wie die Hinterlassenschaften von Nachbars Katze (nicht abgebildet).

Vegetarier ist er natürlich keiner. Jede Schnecke frisst andere Schnecken, sobald sie tot sind. Schließlich sind das genau die Proteine, aus denen sie auch besteht. Der Tigerschnegel scheint aber nicht nur etwas größer, sondern auch aggressiver zu sein. Ich habe ihn schon beobachtet, wie er eine andere Nacktschnecke verfolgt und anknabbert. Das Opfer konnte aber entkommen. Ein gnadenloser Schneckenjäger ist der Tigerschnegel also nicht. Ich kenne nur einen Fressfeind, der der Spanischen Wegschnecke Herr wird, und das ist die Laufente. Die räumt den Garten aber auch gründlich leer.

Laufenten

Ohne die Enten – das Foto ist ein mehrere Jahre altes Archivbild – haben wir heute deutlich mehr Biodiversität im Kampf gegen die Schnecken: In unserem Garten gibt es Igel, Molche, Erdkröten, Glühwürmchen, Laufkäfer und Blindschleichen, die alle im Ruf stehen, sich von Schnecken zu ernähren. Hilft aber nichts, denn sie sind längst satt, während sich die Spanischen Wegschnecken immer noch vermehren.

Das ist auch ein Grund, warum der Tigerschnegel nicht ausreichend gegen die Schneckenplage hilft: Er hat einen viel trägeren Fortpflanzungszyklus. Die Tiere können harte Winter überdauern, werden meist drei Jahre alt und paaren sich nur einmal im Jahr. Dadurch kommen sie mit der Massenvermehrung der Spanischen Wegschnecke nicht mit. Auch die Tigerschnegel sind längst satt, bevor sie die Spanische Wegschnecke entscheidend dezimiert haben. Unsere Exemplare müssen sich am Abend recht mühsam durch die Spalten zwängen, denn sie neigen dazu, rundlich um die Mitte zu sein – wie der Freund auf dem nächsten Foto.

Tigerschnegel

Nur gründliches, tägliches Abklauben und Vernichten hat einen gewissen Einfluss auf die Spanischen Wegschnecken, wobei man im Frühjahr die erste Generation erwischen muss, denn sobald die Tiere eine gewisse Größe erreicht haben, vermehren sie sich schneller als man schauen kann. Eine gewisse Hoffnung bleibt, weil der Tigerschnegel im Ruf steht, sich von den Eiern anderer Schnecken zu ernähren. Zumindest kommt er an die Gelege, während man selber kaum eine Chance hat, diese zu entdecken. Und selbst wenn: Für die ausgewachsenen Exemplare bekommt man leicht einen gewissen Blick, aber wer von uns kann Schneckenarten an ihren Eiern unterscheiden?

Tigerschnegel

Kurz: Wer glaubt, dass er der Schneckenplage im Gemüsebeet Herr wird, wenn er im Internet ein paar Tigerschnegel bestellt, der ist eindeutig dem Werbeschmäh der Anbieter aufgesessen. Der Tigerschnegel ist mittlerweile weltweit verbreitet, und wer noch keine Exemplare im Garten hat, der hat auch nicht den richtigen Garten für diese Art und sollte lieber Versteckmöglichkeiten anlegen. Oder er verwendet Schneckenkorn, das natürlich auch Tigerschnegel bekämpft.

Wir haben gern binäre Lösungen: Ich habe ein Schneckenproblem – mit welchem Gegenmittel kann ich es bekämpfen? Als gäbe es nur zwei Zustände und einen Schalter, um zwischen diesen zu wechseln. Aber so funktioniert die Natur halt nicht. Der Tigerschnegel ist kein Allheilmittel, aber er unterstützt im Kampf ums eigene Gemüse und er frisst definitiv keine gesunden Salatpflanzen. Außerdem ist er nicht nur eine hübsche, stattliche Schnecke, er hat auch noch ein bizarres Paarungsverhalten, aber das ist eine andere Geschichte.

25 Kommentare zu „Der Tigerschnegel – Schneckenjäger oder Vegetarier?

  1. Würde ich draussen auf meinen Regenspaziergängen einen finden, hätte ich ihm längst meinen für seine / ihre Zwecke sehr geeigneten Garten anstelle der andauernd auf links gedrehten Agrarlandschaft angeboten. Aber hier herum gibt es offenbar zu wenige bis gar keine – weil selbst in der Abenddämmerung nicht antreffbare Tigerschnegel, deshalb findet wohl keine (in)meinen Garten. Ich komme sehr wohl in Versuchung, der für mich neuen Information, dass man sie sich durch Kauf beschaffen könnte, zu folgen. Andererseits könnten sie die Weinberg- und anderen Gehäuseschneckeneier verputzen, und daran liegt mir auch wieder nichts. Die „Spanischen“ haben nach den Dürrejahren bisher den Garten, im Gegensatz zu ausserhalb, noch nicht nennenswert zurückerobert. Aber in einer anderen Landschaft Deutschlands (Sauerland) hatte ich mal einen solchen, vergleichsweise riesigen „Tiger“ im Garten und war fasziniert von dieser hübschen Erscheinung. Schöne Foto, vor allem die erste Dreiviertelvorderansicht. Wie eine Anaconda mit Fühlern. 😄

    Gefällt 1 Person

    1. Sehr interessant. Ich dachte, die Tigerschnegel gibt es überall, auch bei euch im Norden.
      Ich muss dieses Jahr die Spanischen absammeln, der Winter war zu mild. Die letzten Jahre musste ich das nur ganz kurz im Frühjahr. Die Tigerschnegel kommen wirklich erst heraus, wenn es komplett finster ist. Um 22 h habe ich viele gesehen, jetzt in der Früh um 6 h waren sie schon wieder weg.
      Weinberg- und andere Gehäuseschnecken haben wir zahlreiche. Aber ich bin nicht ganz sicher, ob der Tigerschnegel nicht auch dazu beiträgt, dass es nur noch zwei Nacktschneckenarten im Garten gibt: ihn und die Spanische Wegschnecke. Früher hatten wir vereinzelt auch die ganz langen Schwarzen Schnegel, aber die habe ich schon lange nicht mehr gesehen.

      Gefällt 1 Person

      1. In kompletter Finsternis mache ich keine grösseren Spaziergänge mehr, insofern sind vielleicht dorch irgendwo welche, nur im Garten, wo ich am ehesten nachts noch mal herumlaufe, begegnete mir nich keiner. Ich muss mir die nächtliche Suche nochmal bewusst vornehmen, statt nur nach dem Hund und dem Igel zu gucken.

        Gefällt 1 Person

  2. Hier hilft nur noch sammeln, sammeln, sammeln. Gestern Abend waren es unglaubliche 50 Stück, die wir dann zum Feld getragen haben.
    Pass gut auf deine Salate auf, meine sind alle futsch.

    Gefällt 1 Person

    1. Der Salat ist auf dem Balkon und in einer alten Badewanne, die als Hochbeet dient. 50 Stück ist nichts. Die hatte ich alleine heute um 6 in der Früh. Und, ehrlich gesagt, überleben dürfen die nicht: Bei mir läuft der Wasserkocher. Aufs Feld kann ich die nicht tragen, dort ist kein Platz mehr, da gibt es schon genug davon. 😉 Die Schneckenplage beruhigt sich erst im Sommer mit der Trockenheit.

      Like

      1. Der Bauer, ein paar Hundert Meter weiter hat ein riesiges Feld. Lach…
        Ich kann sie nicht töten, dafür ist mein Mann zuständig. Aber bei der Menge hat er ein Einsehen. Leider kommen wir nicht täglich in den Garten. Da bist du im Vorteil.

        Gefällt 1 Person

  3. Der Tigerschlegel ist auch bei mir im Garten zu finden und ich versuche ihm auch so viel Schutz wie möglich zu geben. Er kommt aber mit der diesjährigen Masse der anderen Nacktschnecken nicht klar und selbst der Igel welcher uns alljährlich besucht kapituliert anscheinend, weil er bisher nicht zum großen Fressen aufgetaucht ist.
    Alles Natur, Richard und da müssen wir auch irgendwie durch.
    Liebe Grüße, Hanne

    Gefällt 1 Person

    1. Ja, manchmal überläuft einen die Masse an Nacktschnecken, vor allem wenn es wieder einmal regnet wie gerade. Aber ich habe noch Gemüsepflanzen im Beet, halt nicht mehr alle. 😉
      Liebe Grüße
      Richard

      Gefällt 1 Person

  4. Ehrlich gesagt bin ich jetzt mal ganz froh keinen Garten mehr zu haben.
    Es ist frustrierend zu sehen wie der leckere und gesunde Salat, die Erdbeeren usw usf in den Mägen der gefräßigen „Spanischen“ verschwinden.
    Sie loszuwerden ist praktisch aussichtslos und die Methoden sind auch irgendwie gruselig. 🙈
    Von der Protagonistin deines Beitrags heute hatte ich noch nie gehört und fand in sehr informativ.
    Toi toi toi für den Kampf gegen die armen Viecher, die ja nix dafür können, dass es sie gibt 🫣
    Btw. Für was sind die Nacktschnecken eigentlich gut? Mutter Natur macht ja nichts Sinnloses. 🤔
    Liebe Grüße Brigitte

    Gefällt 1 Person

    1. Neulich habe ich fünf Nacktschnecken auf Katzenscheiße gesehen, die haben sie nach ein paar Stunden „entsorgt“, aber sonst sind die, fürchte ich, für nichts. Ein Freund von mir wohnt in einem Augebiet. Der baut kein Gemüse mehr an. So schlimm ist es bei uns noch nicht. Dieses Jahr spielt das Wetter den Nacktschnecken halt in die Hände. Die letzten Jahre war es bei weitem nicht so schlimm. Aber wenn sie mal da sind, muss man einen Teil ansammeln. Das ist eine Exponentialfunktion, und grauslich steil.
      Liebe Grüße
      Richard

      Gefällt 1 Person

      1. Sie sind dem Naturschutzbund (Nabu) zufolge „der Gesundheitsdienst im Garten“. Sie seien ein nützlicher Bestandteil der Lebensgemeinschaft, da sie tote Tiere sowie verwesende Pflanzenteile fressen. Außerdem helfen sie bei der Humusbildung, indem sie Pflanzenreste zersetzen.
        Das schreibt der NABU

        Gefällt 1 Person

      2. Doch, mein NABU hat sogar ganz viel Gemüse garten an dem alle Mitglieder partizipieren können die wollen 😀
        Sie haben eine riesige Gärtnerei geerbt 🤗

        Gefällt 1 Person

    1. Es ist meiner Meinung nach die einzige, die man eine Saison durchhält.
      Das macht zwar keinen Spaß, aber ich denke, wenn das natürliche Gleichgewicht aus dem Ruder ist, dann muss man was tun. Ganz allein wird die Natur das nicht richten. Und indem wir immer alles schön gießen und das gute Futter anbauen, tun wir ja auch ein bisschen zu viel für die Schnecken.

      Gefällt 1 Person

  5. Wieder einmal sehr interessant. Ich sammle jeden Tag die Schnecken ab (hat sich vor Jahren, als wir schon mal so eine Plage hatten bewährt) und bringe sie in einen 500 m entfernten Wald. Ich denke von da kommen sie nicht zurück. Töten mag ich sie nicht.

    Die Schnegel werde ich in Zukunft verschonen.

    Gefällt 1 Person

    1. Danke. Freut mich wenn ich bezüglich der Tigerschnegel einen Tipp geben konnte. Dass man die Schnecken wegträgt, verstehe ich schon. Ich denke, der Wald wird diese Zusatzbelastung verschmerzen. Die Spanische Wegschnecke hat ja eine Vermehrungsrate – da kommt es auf ein paar Hundert mehr oder weniger nicht an. Nur auf meinem Gemüse zählt jede einzelne.

      Like

      1. Vielen Dank! Mein Gemüse im Gewächshaus habe ich inzwischen im Griff. Einmal bei Einbruch der Dunkelheit absuchen und morgens bevor sich die übersehenen Exemplare zurückziehen. Das funktioniert ist aber aufwändig.

        Gefällt 1 Person

Hinterlasse eine Antwort zu Nati Antwort abbrechen