Manche Geschichten muss man sich regelrecht vom Mist holen. Die sind dann zwar nicht wirklich gut und zwischen Buchdeckel würden sie nicht passen, aber dafür sind sie aus dem Leben gegriffen und für einen Blog eignen sie sich umso mehr.
Unser Komposthaufen hat ein Loch. Das hat er seit Monaten und es wird immer größer. Man kann es zudecken und unter Essensresten vergraben – nach einer Weile ist es wieder da.
So etwas kurbelt die Phantasie an. Aus Büchern weiß man ja, dass zahlreiche Tiere die Wärme von vermoderndem organischen Material nützen. Ist es gar eine Schlangengrube? Das Ding hat mittlerweile einen Durchmesser von sieben, acht Zentimetern und es geht tief hinunter. Wer legt sich so einen großen Bau an? Und warum sieht man nichts? Egal, wann ich vorbei gehe, auf dem Komposthaufen regt sich nichts. Hier muss Hightech her.
Ich habe eine Überwachungskamera hingestellt und war am nächsten Morgen wirklich gespannt, was ich finden werde. Auf der Speicherkarte waren dann fast 300 Fotos mit Mäusen, die über den Mist huschen.
Im ersten Moment war ich wirklich enttäuscht. Dann habe ich mir gedacht, es hätte schlimmer kommen können. Es hätten auch Ratten sein können, und mit denen hätte ich weit weniger Freude gehabt. Die vertragen sich auch gegenseitig nicht. Wo Ratten sind, ist für Mäuse kein Platz, und insofern ist es ein gutes Zeichen, dass die Mäuse sich auf unserem Kompost wohl fühlen. Solange sie nicht ins Haus abwandern, können sie gerne bleiben.
Aber warum habe ich nie etwas bemerkt? Die Überwachungskamera hat keine fünf Minuten gebraucht, um das erste Foto aufzunehmen. Sie hat auch kurz, bevor ich sie zurückgeholt habe, noch Aufnahmen gemacht. Ich habe das mittlerweile mehrfach ausprobiert. Kaum dreht man sich um, kommen die Mäuse raus, aber live gesehen hat sie von uns noch keiner. Wie machen die das?
Ganz einfach: Die trainieren hart. Und ihre Sparring Partner kennen keine Gnade. Wer nicht aufpasst, den holt die Katze. Und dann fiel mir wieder ein, dass ich vor zwei Monaten einen Beitrag über Streunerkatzen geschrieben habe. Darin steht, dass diese verwilderten Katzen bei uns Komposthaufen plündern. Außerdem habe ich geschrieben, dass man keine Fleischreste wegwerfen sollte, um sie nicht anzufüttern. Sonst würden sie überhand nehmen, und wo zu viele Katzen sind, bleibt meist sonst nichts.
Daran halte ich mich natürlich. Auf meinen Kompost kommen keine Fleischreste. Brauchen die Katzen aber auch nicht. Es gibt ja Mäuse, dicke, fette Mäuse. Früher habe ich den Kompost hinaus getragen. Jetzt sage ich nur noch, ich gehe die Mäuse füttern. Das habe ich früher zwar auch schon getan, nur gewusst habe ich es nicht und die sprachliche Formulierung war deshalb eine andere.
Seit Jahren frage ich mich, wer die verwilderten Streunerkatzen füttert. Ich hatte schon einige Nachbarn im Verdacht. Aber jetzt weiß ich es. Indirekt bin ich es selber, und das Futter ist auch noch artgerecht: Mäuse. Die Geschichte ist fast so wie in „Ein Mord, den jeder begeht“ von Heimito von Doderer, nur halt literarisch nicht gut. Ich habe sie aber auch vom Mist geholt, da kann man nicht so viel erwarten. Eine Moral hat sie trotzdem: Die Natur ist eine große Gleichung mit vielen Variablen. Sie zu steuern ist schwierig. Dreht man an einer Schraube, hat das an einer anderen Stelle Auswirkungen, mit denen man nicht gerechnet hat.
Wie man es macht, ist es falsch – oder richtig. Je nachdem, von welcher Seite man es betrachtet. Die Natur gibt es halt nicht in kleinen Scheibchen. Man kann nur das große Ganze haben mit allen Vor- und Nachteilen. Und solange das System halbwegs im Gleichgewicht ist, ist es auch wieder gut und man kann allem beruhigt seinen Lauf lassen.
Die Natur hat ihre eigenen Gesetze. Das ist gut so. Eine schöne Geschichte, wie ich finde.
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Danke. Die Natur schreibt halt immer wieder überraschende Geschichten.
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