Der Schwarm

Heute habe ich zum ersten Mal in meinem Leben etwas gesehen, von dem ich dachte, dass es mir auch nie begegnen wird, weil ich gelesen habe, dass es nicht mehr existiert. Wir standen am Nachmittag am Gartenzaun, tratschten mit der Nachbarin, und plötzlich verdunkelte sich der Himmel. Hinter der Hausecke erschien ein Bienenschwarm, flog über uns hinweg und verzog sich Richtung Nachbargarten.

Aus Büchern und Artikeln weiß ich, dass Bienenstöcke heute mit dem Besen geteilt werden. Der Imker entnimmt die Waben und kehrt einen Teil des Volkes in eine neue Zarge. Davor versucht er, die Schwarmneigung so lange wie möglich zu unterdrücken. Wenn trotzdem einmal eine Königin mit ihrem Gefolge auskommt, dann ist etwas schief gegangen.

Honigbienen sind heute domestiziert. Sie haben so viel mit der Vorstellung von Bienen in einem hohlen Baum gemeinsam wie ein Hund mit einem Wolf. Trotzdem war das, was wir heute gesehen haben, ein Stück wilde Natur. Es war wie ein Gruß von früher. Für mich, der ich in der Stadt aufgewachsen bin, war es neu. Ich habe noch nie so viele Insekten auf einmal erlebt, aber die anderen meinten nur, sie hätten schon größere Schwärme gesehen.

Vor ein paar Jahrzehnten war das, was heute über uns geflogen ist, ganz normal. Und vielleicht wird es das ja auch wieder. Vielleicht ist all die Diskussion um Bienensterben und Pestizideinsatz auch eine Chance für ein Umdenken in der Imkerei, das die Bienen in Zukunft wieder mehr Wildtier sein lässt. Dieser Schwarm heute hatte jedenfalls nichts Domestiziertes, das war einfach nur eine unglaubliche, wilde Naturgewalt.

6 Kommentare zu „Der Schwarm

    1. Ja, das hat etwas Mystisches. Man weiß sofort, was es ist, und dann steht man mittendrin und es ist ganz still, so als würde das Summen der Bienen die anderen Geräusche und den Wind draußen halten.

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    1. Ich bin immer froh, wenn es im Garten brummt. Insekten sind die Nahrungsgrundlage von fast allem. Mittlerweile freue ich mich sogar über Blattläuse. Ich sehe da auch bei anderen ein Umdenken. Das Insektensterben ist Realität, aber viel davon ist hausgemacht. Wenn wir lernen, in der Landwirtschaft ohne Pestizide auszukommen, wird sich vieles umkehren lassen.

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  1. Oh, ein schwärmender Schwarm ist ein tolles und beeindruckendes Erlebnis! Ich wußte gar nicht, dass Imker das Schwärmen in der Regel verhindern. Unsere Nachbarin hält seit ein paar Jahren Bienen, und dort schwärmt´s jedes Jahr gleich mehrmals. Meistens sammelt sich der Schwarm in einem unserer Obstbäume, und natürlich meistens im höchsten an der unzugänglichsten Stelle 😉
    Ich hab Schwarm II schon gelesen – siehst du! Nun hast du es gleich doppelt erleben dürfen! 🙂
    Summige Grüße!

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    1. Da hast du aber Glück mit deiner Nachbarin. Hobby-Imker gibt es natürlich solche und solche, aber in den Texten zur Imkerei (muss nicht die Realität sein, ich hab das nur aus Büchern 😉 ), die ich gelesen habe, steht meist recht ausführlich, wie man Schwarmverhalten unterbindet. Ich habe zum Beispiel so ein altes Schulbuch aus der DDR für die Berufsausbildung zum Imker, das ist sehr gut, aber natürlich rein auf Ertrag orientiert, und da ist ein Schwarm immer ein Einbußen. Ohne gibt es mehr Honig.
      In den alten Zeiten gab es auch noch die Heideimkerei. Nach der Methode hat man möglichst viele Schwärme provoziert. Die kamen dann in diese geflochtenen Körbe, die man meist von früheren Darstellungen kennt. Das war aber für die Bienen deutlich brutaler, da bestand nämlich die Ernte darin, dass man einen Teil der Stöcke ausgeräuchert hat.

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