Was lange währt, wird selten gut. Ich fertige jedes Jahr im Winter neue Röhrchen für unsere Mauerbienen an. Entweder mache ich diese Nisthilfen aus Pflanzenstängeln, oder ich bohre Löcher in Hartholz. Beide Methoden sind arbeitsaufwändig, und egal, wie viele Röhrchen ich auch fertige, im Frühling sind es dann trotzdem immer zu wenige.
Im Winter 2017/18 habe ich mir eine neue Konstruktion überlegt. Ich habe Buchenholzplatten mit Gewindestangen fest verschraubt und dann die Löcher an den Schnittstellen von der Seite hinein gebohrt. Der Vorteil ist, dass man nach dem Bohren die Platten wieder auseinander nehmen und die Röhrchen von Spänen befreien und innen sauber schleifen kann. Außerdem habe ich mir gedacht, dass ich sie später auf die gleiche Weise wieder reinigen kann. Leider hielten unsere Mauerbienen von dieser Konstruktion gar nichts. Wahrscheinlich waren die Platten doch nicht so plan aufeinander gepresst, wie ich gedacht hatte, und seitliche Spalten sind immer eine Eindringmöglichkeit für Parasiten. Ganze fünf Röhrchen wurden verstopft. Stattdessen füllten die Mauerbienen jeden Gartenschlauch, den sie finden konnten.
Die Witterung im Winter gab den Bienen recht. Das Holz verzog sich, und so habe ich die Konstruktion vor Beginn der Mauerbienen-Saison wieder zerlegt, um zu vermeiden, dass weitere Röhrchen belegt wurden.
Es ist für mich immer schwierig, einen Blog-Beitrag über einen Misserfolg zu schreiben, dabei wären vielleicht auch solche abschreckenden Beispiele sinnvoll, also habe ich mir gedacht, ich verbinde die Beschreibung der Fehlkonstruktion mit ein paar spektakulären Bildern aus dem Inneren einer Brutröhre. Die Aufnahmen waren allerdings mäßig. Dass die erste Kammer oft leer bleibt, ist keine tolle Erkenntnis, das mussten unsere Kohlmeisen schon vor Jahren beim Aufpecken frustriert feststellen. Und mit den tollen Aufnahmen von geöffneten Brutkammern, wie man sie aus Wildbienen-Büchern kennt, waren meine Fotos nicht vergleichbar. Also verwarf ich den Beitrag wieder und legte alles auf die Seite.
Gestern Nachmittag fiel mir auf, dass die ersten Bienen bereits geschlüpft waren. Und nicht nur das. Der nächste Kokon hatte auf der Seite ein Loch und die Biene darin schien sich zu bewegen. Ich fertigte ein Foto an und konnte tatsächlich ein Bein erkennen, das bereits herausgestreckt wurde.
Als nächstes sah ich einen Fühler und ein Auge. Auch ihre Beißwerkzeuge, die Mandibel wurden sichtbar. Die Biene begann ihren Kopf aus dem Kokon zu strecken.
Zuerst war ich ganz aufgeregt, um nur ja kein Foto zu versäumen, aber mit der Zeit wurde ich entspannter. Geburten dauern immer lange, auch wenn diese quasi ein Kaiserschnitt war, weil die Biene sich seitlich herauszwängen konnte und sich nicht auch noch durch die vor ihr liegende Kammer durchbeißen musste.
Ich holte mir einen Kaffee. Die Biene hatte es nicht eilig, sie zog sich während des Schlüpfprozesses immer wieder zurück und verfiel in Starre. Mittlerweile schritt der Nachmittag voran und es wurde auch langsam wieder kühler. Ich fürchtete schon, dass die Mauerbiene es an diesem Tag nicht mehr schaffen würde, doch dann schob sie auch noch einen zweiten Fühler durch die Öffnung, die Augen wurden sichtbar, und dann war der Kopf soweit durch, dass man eine männliche Gehörnte Mauerbiene identifizieren konnte.
Sie sah direkt in die Kamera. Der erste Blick auf die Welt galt quasi mir. Es ist immer ein erhebendes Gefühl, eine Geburt mitzuerleben, und man weiß ja, wenn erst einmal der Kopf durch ist, kann nichts mehr passieren, dann ist der Rest eine Kleinigkeit. Man kann quasi schon den Sekt einkühlen, bei Menschen – nicht so bei Mauerbienen. Das kleine Kerlchen zog sich wieder in seinen Kokon zurück und verharrte für den Rest des Nachmittags bewegungslos.
Nur ein Fühler und ein Auge linsten noch durch das Loch. Der erste Aufbruch wurde auf einen der nächsten Tage verschoben, wenn kein lästiger Fotograf vor der Brutkammer wartet. So eine Biene liegt aber auch fast ein Jahr fertig verpuppt in ihrem Kokon. Da kommt es auf ein paar Stunden mehr oder weniger nicht an. Ich werde den entscheidenden Moment jedenfalls nicht mitbekommen. Eine 40-Stunden-Woche und mangelnde Geduld hindern mich daran.
Vor eineinhalb Jahren habe ich diese Konstruktion entworfen und darüber nachgedacht, wie ich sie in einem Blog-Beitrag präsentieren kann. Die Mauerbienen haben letztes Jahr die Annahme verweigert, aber ich habe nicht aufgegeben. Die ersten Bilder der zerlegten Röhren waren zwar eine Enttäuschung, aber dann, als sich doch noch ein Happy End abzeichnete – das Schlüpfen einer Mauerbiene, die Entfaltung der Flügel, der erste Abflug – ist die Biene zu faul den nächsten Schritt zu tun und legt sich einfach wieder hin. Man kann im Leben machen, was man will: Manches wird halt nichts!