Anfang April, als die Heizsaison zu Ende war, habe ich angefangen, den Holzschuppen umzuschlichten und ein paar Sachen umzubauen. Dabei haben mich immer wieder Hummelköniginnen besucht. Eine Erdhummel fiel mir besonders auf. Sie verschwand regelmäßig in der Ecke hinter einem Holzstapel. Offensichtlich hatte sie beschlossen, dort ihr Nest anzulegen.
Meine Anwesenheit schien sie nicht zu stören. Sobald ich allerdings die Position eines Brettes veränderte oder ihr meine Leiter in den Weg stellte, reagierte sie mit minutenlangen Orientierungsflügen. Alles, was sich in ihrer Einflugschneise veränderte, musste sie sich einprägen.
Eine Woche später war die Erdhummel eine Steinhummel. Ich habe keine Ahnung, welches Drama sich bei der Übernahme abgespielt hat. Freiwillig wird die Erdhummel ihren begonnenen Bau nicht überlassen haben. Es muss aber auch keine feindliche Übernahme gewesen sein, denn das Leben einer Hummelkönigin ist riskant, und unter Umständen hat die Steinhummel nur das verwaiste Nest übernommen.
Im Gegensatz zu vielen anderen Hummelköniginnen war die Steinhummel beim Aufbau ihres Nestes erfolgreich. Mittlerweile sind seit Wochen nur noch die Nachkommen unterwegs. Mit dem regen Treiben vor einem Bienenstock hat das trotzdem nichts zu tun, denn erstens umfasst ein Steinhummelstaat maximal 200 Individuen, und zweitens sind die ersten Junghummeln deutlich kleiner und unauffälliger als ihre Königin. Der Frühsommer gehört den Zwerghummeln, die kaum größer sind als eine Biene und auch leicht mit Wildbienen verwechselt werden können.
Der Platz im hintersten Eck des Holzschuppens war also eine gute Wahl. Dabei ist der Weg dorthin beschwerlich und riskant. Zuerst müssen sich die Hummeln durch eine Lattentür zwängen. Dann geht es quer durch den Holzschuppen, und am Ende lassen sie sich in den Staub fallen, um den letzten halben Meter zu Fuß zu gehen.




Und überall lauern gefährliche Spinnen in allen Größen. Zuweilen verfängt sich eine Hummel zwischen den Latten der Tür in den Spinnweben. Normalerweise reißt sie sich gleich wieder los. Wenn doch einmal eine Steinhummel hängen bleibt, hilft es wenig, sie zu befreien. Von den verklebten Flügeln kann sie sich die Spinnweben nur sehr schwer abstreifen. Wäre besser gewesen, ich hätte in Ruhe ein paar gescheite Fotos gemacht.
Nach einiger Zeit kann der Hummelstaat kleinere Verluste auch gut verkraften. Er ist nicht mehr von wenigen, schlecht ernährten Arbeiterinnen abhängig, sondern hat sich zu einem stabilen Großorganismus weiterentwickelt. Die einzelnen Hummeln selbst wachsen nur während der Larvenphase, es hängt also von deren Versorgung mit geeigneter Nahrung ab. Das fertige Insekt häutet sich nicht mehr.
Dass die Arbeiterinnen mit fortschreitendem Sommer größer werden, hilft ihnen nicht nur im Kampf mit den Fressfeinden. Forscher haben festgestellt, dass auch ihre Sinnesorgane leistungsfähiger werden. Die Facettenaugen bestehen aus mehr Ommatidien, das Bild setzt sich aus zusätzlichen Bildpunkten zusammen. Die größeren Hummeln nehmen ihre Umgebung also weniger verpixelt wahr und können so Nektarquellen aus größerer Entfernung erkennen. 33 Prozent mehr Körpergröße bedeutet eine verdoppelte Sehstärke.1
Deshalb kommt es mit zunehmender Diversifikation der Körpergröße oft zu einer Arbeitsteilung im Hummelnest. Die großen Arbeiterinnen besorgen das Futter, die kleineren kümmern sich um die Hausarbeit und pflegen den Nachwuchs.
- Johannes Spaethe, Lars Chittka: Interindividual variation of eye optics and single object resolution in bumblebees, Journal of Experimental Biology 206 (19), October 2003, 3447–3453
https://doi.org/10.1242/jeb.00570 ↩︎

