Einsam, männlich, laut

Seit Ende Juni weiß ich, dass unser neuer Badegast wirklich ein männlicher Kleiner Wasserfrosch ist. Damals ließ er zum ersten Mal anklingen, was er kann. Er singt laut, falsch und voller Begeisterung. Und es kommt halt doch auf die Größe an – und zwar nicht auf die des Frosches, sondern auf die der Schallblasen.

Wasserfrosch

Anfangs hatte ich einerseits Bedenken, dass es die Nachbarn stören könnte, andererseits Angst, dass sich Mrs. Colombo aufregen könnte. Sie hat einen leichten Schlaf und behauptet sogar, dass sie mein Schnarchen stört, obwohl ich maximal tief atme.

Tatsächlich gab es im ganzen Umkreis nur eine Person, die um zwei in der Früh wach lag und dem Frosch beim Quaken zuhörte, und das war ich. Im Halbschlaf bedauerte ich, dass Ringelnattern kein Trommelfell haben, sonst wäre akustische Ortbarkeit bei Amphibien ein negatives Selektionskriterium und mein Problem vor vielen Millionen Jahren bereits gelöst worden. Aber an mich hatte bei der Evolution wieder einmal niemand gedacht.

Mittlerweile kann ich das Froschquaken in die Reihe der Geräusche einordnen, die man im Schlaf automatisch ausblendet, so wie ein vorbeifahrendes Auto, Hundegebell oder die Vögel am Morgen. Man hat mich auch dezent darauf hingewiesen, dass ich froh sein soll, nicht in der Einflugschneise eines Flughafens zu wohnen, weil Flugzeuge definitiv lauter sind als ein Wasserfrosch.

Wirklich überzeugt hat mich aber der Frosch selbst mit seinem unterhaltsamen Charakter. Es ist ihm halt oft langweilig und er sucht Anschluss. Dann sitzt er beispielsweise in einer selbstgebastelten Kuhle im Moos, gleich neben der Treppe, und wartet, dass ich schwimmen gehe.

Wenn ich dann im Wasser stehe und versuche, mich an die kühlere Temperatur anzupassen, springt er mir plötzlich vor die Füße. Meinen Aufschrei quittiert er mit einem breiten Grinsen und macht es sich dann auf einem Seerosenblatt bequem.

Sein Lieblingsplatz ist aber auf den Steinplatten zwischen Teich und Erdbeeren. Da laufen ihm immer irgendwelche Insekten vor die Zunge. Die ist übrigens mehrere Zentimeter lang, lachsrosa, und es bleibt nicht nur die Beute daran hängen, sondern auch kleine Steinchen, die dann wieder ausgespuckt werden.

Auf seinem Lieblingsplatz am Teichrand lässt er sich auch gut fotografieren. Zwischen den folgenden Bildern liegen zwei Wochen, und wer aufmerksam hinsieht, merkt einen entscheidenden Unterschied.

Das erste Bild ist eine Teleaufnahme, da waren wir noch auf Distanz. Mittlerweile kann ich meine Fotos aus einem halben Meter Entfernung machen. Wir sind jetzt Freunde. Er hat sich aus Solidarität auch ein kleines Bäuchlein angefressen. Man kann uns von der Statur her kaum noch unterscheiden, wenn wir nebeneinander am Wasser sitzen – beide etwas rundlich um die Mitte. Einsam am Teich ist halt wie Lockdown: Keine Sozialkontakte und stattdessen immer was zu Essen in Griffweite.

Warum er keine Frau findet, verstehe ich trotzdem nicht. Es gibt ja in jedem Schwimmbad diese muskelbepackten Typen, die sich vor den Mädchen am Beckenrand aus dem Wasser ziehen, um Eindruck zu schinden. Unser Frosch kann das ohne Anhalten. Der springt schwimmend zehn Zentimeter nach oben auf den Weg. Da kann man im Fitnesscenter Gewichte drücken, so viel man will, das kriegt Mensch nicht hin. Und dann dieses Grün und der tiefsinnige Blick mit der goldschillernden Iris. Es gibt meiner Meinung nach nur einen Grund, warum sich keine Partnerin findet: Er singt halt wirklich grottenschlecht.

Mehr zum Thema findet sich in meinem Buch Amphibienbademeister – Zweitberuf am naturnahen Gartenteich.

40 Kommentare zu „Einsam, männlich, laut

    1. Da hast du wahrscheinlich recht. Der ist noch jung. Er war Anfang Juni da, hat aber erst im Juli zu singen begonnen. Da ist die Fortpflanzungszeit eigentlich vorbei. Ich denke, der übt für nächstes Jahr.

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  1. Herrlich geschrieben!!! Klingt fast nach einer amour fou 😉 Ich finde ihn total hübsch und ein bißchen Bauchfett hat ja jeder. Ich hoffe, er findet trotz des schlechten Gesangs noch Anschluß 🙂

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  2. Oha, so toll dieser Anblick sowie deine kleine Geschichte auch ist, kann ich nicht so positiv über unseren vor Jahren extrem lauten Besucher im einstigen Gartenteich berichten, der nicht nur uns sondern auch die Nachbarn nachts ziemlich nervte und wir ihn im Glas gefangen zu einem weiter weg gelegenen Weiher bringen mussten 😀
    Liebe Grüße, Hanne

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    1. Das ist wahrscheinlich für beide Seiten die bessere Lösung, wenn es gar nicht mehr anders geht. Im Idealfall findet der Frosch am neuen Standort die Partnerin, die bei uns fehlt. Streng genommen braucht man dafür aber einen Beschluss der Naturschutzbehörde. Da mache ich lieber während der Paarungszeit das Fenster zu.
      Liebe Grüße
      Richard

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  3. Unsere Nachbarn hatten auch einen solchen Quaker, aber er ist seit längerer Zeit nicht mehr zu hören – hm, hier gibt es Störche und Reiher… die haben vielleicht jetzt den dicken Bauch… 😉
    Ich fand sein Quaken nicht störend.
    Das Ausblenden von unseren Balkonmeisen gelingt uns nicht (Felix legt den Kopf unter das Kissen), ist auch besser so, weil wenn wir nicht aufstehen und Futter geben, fehlen schonmal Blumen oder das Futterhaus wird recht unsanft behandelt.

    Liebe Schmunzelgrüße,
    Syntaxia und Felix

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    1. Ich bin ziemlich sicher, dass Singvögel um einiges lauter sind als Wasserfrösche. Und auch aufdringlicher. Sie sind halt Sympathieträger, deshalb wird niemand wegen Lärmbelästigung verklagt, wenn er/sie einen Nistkasten aufhängt. Bei Gartenteichen kann das schon vorkommen.
      Unser Frosch quakt jetzt nur noch ganz selten. Die Fortpflanzungszeit ist vorbei. Aber er hat jetzt einen kleinen Kollegen. Mal schauen, wie das nächstes Jahr wird. Der Kärntner neigt zum Chorgesang. Leider.
      Auch hier ist der Grundwasserstand dieses Jahr niedriger als sonst, und manche Weiher sind trocken. Ich denke, deshalb sind die Wasserfrösche plötzlich da. Kann auch sein, dass sie wieder abwandern, wenn mehr Regen kommt. Storch oder Reiher haben wir eher nicht.
      Liebe Grüße
      Richard

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    1. Rundlich um die Mitte ist vor allem dann gut, wenn man den ganzen Winter nichts zu essen bekommt. Insofern sorgt er gut vor, der Frosch. Aber die Paarungszeit war eindeutig schon vorbei, als er mit seinem Gesang angefangen hat. Zu spät zum Rendezvous geht bei Frauen schon gar nicht, da sind Frösche keine Ausnahme. Er wird also bis zur nächsten Saison warten müssen.

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    1. Mittlerweile gibt es mindestens drei verschiedene männliche Wasserfrösche, bzw. seit zwei, drei Wochen gibt es gar keine mehr. Die haben sich einer nach dem anderen in die Winterquartiere verzogen. Mal sehen, was nächstes Jahr wird.

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  4. Auf diesem Wege wünsche ich dir für das kommende 2023 weiterhin viel Freude an deinem Garten und seinen Bewohnern. Ich freue mich bereits auf schöne Impressionen vor!

    Alles Gute und Gesundheit,
    wünscht Syntaxia

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  5. Ich hab mal eine Frage: in einem alten Garten eines Verwandten gibt es einen Teich, der nicht mehr ganz dicht und außerdem voll mit Laub ist. Eine Pumpe gibt es nicht. Man müßte mal alles rausholen. Wann wäre die beste Jahreszeit dafür? Im Sommer sah ich mal was froschiges (frag mich nicht, war zu schnell weg) und an anderer Stelle im Laub, im Winterquartier, vermutlich Erdkröten. Ich hab Sorge, daß man da was kaputt macht, aber im Grunde müßte mal alles neu gemacht werden. Vielleicht hast du einen Tip? LG Almuth

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    1. Egal, wann man es macht, irgend etwas stört man immer. Die meisten Bewohner hat man jetzt im Frühjahr. Da ist die Temperatur nieder und der Sauerstoffgehalt hoch. Im Sommer verlassen Kaulquappen und Libellen den Teich, die Temperatur steigt, der Sauerstoffgehalt sinkt. Die Molchslarven hat man dann aber immer noch. Wenn es nur darum geht, das Laub rauszuholen, ist Oktober, November am besten. Man holt vielleicht Insektenlarven mit raus, die fürs nächste Jahr bestimmt sind, aber von denen gibt es genug. Und ein gewisser Prozentsatz Ausfall ist normal. Wenn das mit neuer Folie abgedichtet werden soll und der Teich nicht riesig ist, würde ich ein paar große Gefäße besorgen. Da kann man zwischenlagern, was interessant ist. Muss man ja auch mit den Pflanzen machen. Und eine gewisse Bestandsaufnahme ergibt sich so auch.
      Interessantes Projekt. Mach Fotos zur Doku. Wie gesagt, irgendwas stört man immer, aber Kleingewässer verlanden auch in der Natur. Da ist Veränderung und Teilausfall mitprogrammiert. Die Amphibien und Wasserinsekten stecken das weg.
      LG Richard

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      1. Danke für die Infos! Es ist halt 10 Jahre und mehr nichts mehr gemacht worden, weil der gute Mensch zu alt und eingeschränkt war. Ich habe schon überlegt, ein Sumpfbeet mit Wasserstelle davon zu machen. Aber egal was, da ist so viel Laub drin, daß es eher was von Morast als von einem Teich hat. Das mit den Gefäßen ist ein guter Tip. Da kann man dann vielleicht eroieren, was überhaupt da drin ist. Bislang, ich hab ein paar Mal ein bißchen was rausgefischt, hatte ich nur Schnecken ohne Ende 😉 LG Almuth

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      2. Wer Schnecken füttert, hat Schnecken, da fährt die Eisenbahn drüber. 😉
        Wir haben übrigens seit vielen Jahren in unserem Teich keine Schnecken, zumindest wäre mir nie eine aufgefallen. Wenn man mit den Pflanzen keine einbringt, hat man auch keine.
        Sumpfbeete sind für die Biodiversität mindestens so gut wie ein Teich, wenn nicht besser. Ein Teich ist halt zum Anschauen besser. Da tut sich immer was.
        LG Richard

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      3. 😅 Keine Schnecken? Das finde ich schon erstaunlich. Dann ist dein Teich aber supergut angelegt, mit allem drum und dran, wow. Gelbrandkäfer hast du vermutlich auch nicht. Ich muß mal gucken, was sich da machen läßt.

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      4. Okay, das hört sich ja gut an. Ich dachte, die fressen immer gleich alles auf, was sich im Teich bewegt. Mir wurde gesagt, daß früher welche drin waren, aber gesehen habe ich bis jetzt noch keinen.

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