Der Zauberhut

Eigentlich finde ich Meisenknödel im Netz praktisch und die Singvögel in unserem Garten mögen sie auch. Vor allem die Krähen und Elstern machen sich einen Spaß daraus, das eine oder andere Netz samt Knödel aus der Verankerung zu lösen, und so liegen dann jedes Jahr einzelne leere Netze unter Nachbars Baum im Gras, was ich diesen Winter irgendwie vermeiden wollte. Also gibt es heuer Knödel ohne Netz.

Beim Meisenknödelspender hatte ich auch nicht unbedingt die Qual der Wahl. Es gab im Baumarkt nur noch ein einziges Exemplar, und das entpuppte sich schon bald als regelrechter Zauberhut. Die Meisenknödel blieben über Wochen nicht nur trocken, sondern auch gänzlich unberührt. Während mir die Spatzen und Meisen den Körnerspender daneben mehrmals leer räumten, ließen sie die Meisenknödel einfach links liegen.

Wie reklamiert man so etwas? Muss ich nachweisen, dass es an der Konstruktion liegt und nicht daran, dass meine Gartenvögel zum Futterfassen zu blöd sind? Glücklicherweise stellte sich diese Frage gar nicht, weil heutzutage jedes geöffnete Geschäft kurz darauf gleich wieder schließt, und Lust auf Umtauschen hatte ich auch nicht wirklich. Stattdessen ergriff mich der Forscherdrang. Als erstes probierte ich, ob es an den Meisenknödeln lag.

Aus einem alten Beißkorb, der eigentlich seit Jahrzehnten neuwertig ist, weil in diesem Haus noch nie ein Hund wohnte, der Beißkörbe modisch schick fand, ließ sich ganz leicht ein Meisenknödelspender fertigen. Auch eine lederne Hundeleine, mit ein paar Nieten in Spiralform getackert, erfüllte diesen Zweck. Es ist halt immer gut, wenn man eine Schuhmacherwerkstatt geerbt hat.

Aber warum taugte das Produkt aus dem Baumarkt nicht? Was fehlte dem gekauften Spender? Die Lösung war einfach: Aus einem schwarzen 1,5er-Einziehdraht bastelte ich einen Sitzring, und schon schmeckten auch die gut beschützten Meisenknödel aus dem Zauberhut. – Bug fixed. Den Patch stelle ich hiermit Open Source. Vielleicht kann ihn ja wer brauchen.

Selbst Singvogel stellen gewisse Ansprüche an die Ergonomie ihrer Einrichtungsgegenstände. Außerdem kommt mir vor, sie vertrauen bei der Futtersuche vor allem auf den Sehsinn. Hat etwas nicht das gewohnte Erscheinungsbild, wird es nur zögerlich angenommen. So ein Vogerl ist halt auch nur ein Mensch und folglich Gewohnheitstier.

27 Kommentare zu „Der Zauberhut

    1. Danke. Zumindest hat sich für mich wieder einmal bestätigt, dass man mit ein bisschen Herumprobieren und Sturheit zu Wissensgewinn kommt. Genie allein ist nicht alles. 😉

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  1. Bei mir verschwinden die Knödel auch komplett wenn ich sie so im Baum hing.
    Eigentlich habe ich sie in eine umgedrehte Tasse aufgehangen, aber dort fingen sie bei zu feuchtem Wetter an zu schimmeln. Jetzt nehme ich nur noch den Unterteller als Schutz. Mal sehen ob das Netz dieses Mal hängen blieb. Versuch macht klug.

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    1. Ja, man möchte gar nicht glauben, dass es selbst fürs Vögelfüttern eine eigene Technik braucht. Frag mich nur, was die Vögel dabei denken, wenn wir so rumprobieren. Wahrscheinlich freuen sie sich, wenn sie dann draufkommen, wie sie am besten ans Futter kommen, und dann zwitschern sie sich zu: Versuch macht klug. 😉

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  2. Herrlich, in Wort und Bild und die Fotos sind klasse. Zum Glück hast du die Schumacherwerkstatt geerbt, unsereiner hätte das Ding glattweg abschreiben müssen 😉 Schon putzig, was sich die Produktdesigner manchmal ausdenken. Hätten sie mal ne Meise gefragt 🙂

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  3. Als ich Deinen Zauberhut sah, wußte ich gleich, daß es an Festhaltemöglichkeiten für die Vogelbesucher fehlt.
    In Baumärkten bekommt man meist keine wirklich an die natürlichen Bedürfnisse und körperlichen Gegebenheiten der Tiere orientierten Futterspender, auch die Insektenhotels sind meist nutzlos und mehr eine Holzresteverwertung als ein wirksame Brutstättenhilfe. Aber Du hast ja dank Deines handwerklichen Repertoires sehr schöne und kreative Lösungen gefunden. 🙂
    Nachfolgend ein Link zu einer Bezugsquelle, die ich schon seit vielen Jahren gerne nutze und deren Produkte bei meinen Vögeln gut angenommen werden: https://www.vivara.de/
    Allerdings muß man bei Neuinstallationen immer etwas Geduld haben, bis die kleinen Wilden sich daran gewöhnt haben.
    Naturverbundene Grüße von
    Ulrike

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    1. Also, auf den ersten Blick habe ich das nicht erkannt. Ich dachte, wenn es das zu kaufen gibt, hat es vorher zumindest eine Person ausprobiert. Aber nachdem das zwei Wochen voll geblieben ist, dachte ich auch, da fehlt was zum Anhalten. Und dann war es natürlich eine Herausforderung, aus Resten was zu basteln. Das zelebriert man dann. Hätte ich gleich machen sollen.
      Mein Körnerspender ist übrigens von vivara.at. Aber in letzter Zeit freue ich mich aus einem unerklärlichen Grund manchmal, wenn ich irgend etwas vor Ort einfach mitnehmen kann. Und sei es nur ein Klumpert im Baumarkt. Ich kauf nicht gern im Baumarkt, aber langsam freue ich mich sogar auf den nächsten nervigen Verkäufer, der mich dort fragt, ob er mir helfen kann. Keine Ahnung warum. 😉
      Liebe Grüße
      Richard

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  4. Hast du gut gemacht!
    Ich hab
    a) eine Tochter, die Kunsthandwerkerin ist und Futterspender aus Stahl schweißt
    und
    b) hole ich mir alles beim NABU.
    Ich streue aber auch einfach Futter auf den Boden, auch zerdrückte Meisenknödel.
    Alles ist immer ratzfatz weg 😉
    Liebe Grüße
    brigitte

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    1. Danke. Das Elektroschweißgerät des Hauses hat leider den Geist aufgegeben, lange bevor ich es erben konnte. Aber wer weiß, wofür es gut ist. Ich hätte sicher alles zugeschweißt.
      Selbermachen ist jedenfalls deutlich befriedigender. Auf den Boden kommt bei uns ganz von selber reichlich. Da freuen sich die Buchfinken. Leider auch die Mäuse. Also hänge ich alles, was von mir kommt möglichst sicher oben hin.
      Liebe Grüße
      Richard

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    1. Danke. Witzigerweise gefällt der auch den Vögeln am besten. Da ist immer viel los. Und funktionell ist er auch. Die Knödel fallen nicht heraus und werden von den Elstern nicht verschleppt.

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