Kleine graue Männchen

Zur Zeit ist es relativ schwierig, die Wiese und die Wege rund um unseren Teich zu betreten ohne auf kleine graue Männchen zu steigen. Wenn sie die Metamorphose gerade erst hinter sich haben, sind die jungen Erdkröten noch fast schwarz, aber mit zunehmender Akklimatisation an das Landleben werden sie deutlich heller. Auf ihren dünnen Beinchen schreiten sie staksig ungelenk durchs Gras. Sie hüpfen auch, aber selten mehr als drei, vier Zentimeter, und wirklich sicher bewegen sie sich nur, wenn sie schwimmen.

Es sind winzige Wasserwesen, die zögerlich das Land erobern. Unfertig, fast amorph wirken sie. Die Amphibien waren vor ungefähr 250 Millionen Jahren unter den ersten, die den Schritt an Land wagten, und sie sind bis heute keine hundertprozentigen Landwirbeltiere geworden. Jedes Jahr im Frühsommer geht die nächste Generation diesen Weg aufs Neue.

Die Erdkröten sind dabei besonders unbeholfen. Sie setzen bei ihrer Vermehrung kompromisslos auf Quantität. Da sie wie alle Froschlurche am Ende ihrer Metamorphose deutlich an Gewicht verlieren, sind die Jungkröten kaum größer als Ameisen, aber ihre Zahl ist beeindruckend, und täglich werden es mehr, denn im Teich schwimmt immer noch ein großer Schwarm Kaulquappen.

Normalerweise ist das ganze Schauspiel Anfang Juni abgeschlossen, aber dieses Jahr war die Laichsaison lang und das Frühjahr kühl, was insofern ärgerlich ist, als man in einem Teich voller Kaulquappen nur schwimmen kann, wenn man entweder blind ist oder über unmenschliche Selbstüberwindung verfügt. Diese Dinger sind nicht wie ein Fischschwarm, der auseinanderstiebt, wenn man ihn aufscheucht. Die schwimmen kaum zielgerichtet, mehr wie Schwebeteilchen, und es ist ausgesprochen unangenehm, sich in so eine schwarze Wolke zu schieben. Mit dem Schwimmen werde ich noch ein bisschen warten müssen, denn auch die zahlreichen Fressfeinde haben keinen Appetit mehr. Man sagt, junge Ringelnattern seien unersättlich, aber selbst die liegen bei uns nur noch am Morgen faul auf den Seerosenblättern in der Sonne.

Junge Ringelnatter

Dieses Jahr sieht es so aus, als wäre die Fortpflanzungsstrategie der Erdkröten voll aufgegangen. Es sind so viele von ihnen durchgekommen wie noch nie zuvor, aber das kann sich schnell wieder ändern, wenn die Fressfeinde nachrüsten, und im Übrigen ist es noch ein langer, gefährlicher Weg, bis die kleinen grauen Männchen nach vier bis fünf Jahren als geschlechtsreife Tiere wiederkehren. Im Moment sehen sie ja noch nicht einmal wie Erdkröten aus, wenn man sich diese abschließende Gegenüberstellung mit einem ausgewachsenen Männchen ansieht.

 

 

 

20 Kommentare zu „Kleine graue Männchen

    1. Ja, und sie reifen dabei so schnell aus, dass sie nach jedem Schritt mehr wie eine kleine Kröte aussehen. Nur größer werden sie vergleichsweise langsam. Die Frösche sind da schneller.

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      1. Stimmt. In meinem auch. Bloß mit Fröschen ist jedes Jahr das Gleiche: Kaulquappen haben es schwer, wegen der Fische. Die wenigen, die es schaffen – kommt der Fischreiher.
        Ich bibbere jedes Jahr, ob er genug lässt, damit im nächsten Frühjahr wenigstens zwei da sind :-O

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      2. Ohne Fische und Reiher stabilisiert sich die Amphibienzahl auf einem höheren Niveau, aber Fressfeinde wie die Ringelnattern finden sich bei uns auch. Da müssen sie durch, und das können sie auch. Das Hauptproblem haben sie immer noch damit, dass wir so gern alles trocken legen. Solange Wasser da ist, werden schon welche durchkommen.

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    1. Das freut mich. In der Nacht hat es geregnet, dadurch haben sie sich jetzt über den ganzen Garten verteilt. Ich habe sie aus dem Augenwinkel gesehen, während ich versucht habe, mein Gemüse von den Schnecken zu befreien.

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    1. Da hat sie Glück gehabt. Bei uns ist einmal eine im Keller vertrocknet. Und einmal habe ich einen Molch wieder hinaus getragen. Wie sie durchs Kellerfenster kommen, ist mir schleierhaft, aber vor allem im Herbst kontrolliere ich regelmäßig. Der Keller zieht sie leider an.

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  1. Das sind wirklich viele Kaulquappen, da würde ich auch nicht schwimmen gehen. Wenn einem die Quaker und Kröten nerven, kann in etwas Entfernung zum Gewässer ein Komposthaufen so angelegt werden, dass etwas Rottungswärme entsteht. Dann mehren sich die Ringelnattern.

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    1. Es ist gar nicht so leicht, Rottungswärme zu erzeugen. Ich habe zu Testzwecken ein Thermometer in einen Komposter gesteckt, aber für stabile Wärme muss schon die Mischung wirklich stimmen. Es gibt aber rundum Pferdeställe, die können das besser, und junge Ringelnattern sehe ich am Teich regelmäßig. Die Natur macht das schon.
      Liebe Grüße, Richard

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