Luft- und Wasserkühlung

Als ich das erste Mal den Sommer in Kärnten verbracht habe, sind mir sehr bald die zahlreichen Hornissen aufgefallen. In Wien und Umgebung sind diese großen Brummer eher eine Seltenheit, hier in Südkärnten sind sie allgegenwärtig – vor allem seit wir den Gartenteich haben, wo sie im Hochsommer ihren Wasserbedarf decken.

Das Hornissenaufkommen scheint alljährlich gleich. Es gibt Bienenjahre, Hummeljahre und Wespenjahre, aber jedes Jahr ist – unabhängig von den klimatischen Verhältnissen – ein Hornissenjahr. Die Tiere können sich offensichtlich sehr gut an schwankende Temperaturen anpassen und schaffen es, auch in den zunehmend heißer werdenden Sommern ihr Nest auf einem gleichbleibenden Temperaturniveau zu halten. Dafür setzen sie – im Gegensatz zu manchen anderen staatenbildenden Insekten – sowohl auf Luft- als auch auf Wasserkühlung.

Es gibt Exemplare, die im Hochsommer so pünktlich alle paar Minuten Wasser holen, dass man nach ihnen die Uhr stellen könnte. Aus der anschließenden Startrichtung kann man auch ungefähr abschätzen, in welcher Richtung sich das Nest befindet. Demnach muss es in der Umgebung mehrere Staaten geben, die aus unserem Teich ihr Wasser beziehen. Einen von ihnen habe ich im August in einem unserer Vogelnistkästen entdeckt.

Letztes Wochenende bin ich auf die Leiter gestiegen und habe versucht, aus nächster Nähe Bilder zu machen. Selten hatte ich so viele verwackelte und unscharfe Ausschussfotos. Die großen Brummer sind überhaupt nicht aggressiv, aber ihre Erscheinung ist trotzdem respekteinflößend. Wenn man ihnen die Kamera in die Einflugschneise hält, beginnen sie mit Orientierungsflügen, um das neue Hindernis zu verorten, und wenn man mehrere Exemplare vor dem Display herumfliegen hat, macht das dann doch leicht nervös.

Immer wieder fiel mir ein plötzlich einsetzendes, deutlich lauteres Brummen auf. Es stammt von dem Exemplar am Einflugloch, das sitzenbleibt und Luft ins Innere fächelt, denn erst das Zusammenwirken von Ventilation und Wasserzufuhr schafft die idealen Bedingungen, um im Hochsommer mittels Verdunstungskälte eine Art Klimaanlage zu betreiben, die Überhitzung vorbeugt.

Im Moment reicht die Luftkühlung, Wasser ist nicht mehr nötig. In den letzten Wochen des Jahres wird es mehr darum gehen, die Heizung einzuschalten, denn die Temperaturen kippen langsam ins Herbstliche. Den Wärmebedarf decken – wenn ich richtig recherchiert habe – alle staatenbildenden Insekten ziemlich gleich: Mittels Muskelbewegung bringen sie sich und ihre Brut auf Betriebstemperatur. In unseren Breiten suchen sie sich außerdem Nistplätze, die sich in der Sonne schnell erhitzen, denn Kühlung im Sommer fällt leichter als die Heizung in der Übergangszeit. Unsere Französischen Feldwespen bevorzugen zum Beispiel seit Jahren erfolgreich die Metallabdeckung unseres Flüssiggastanks, unter der es wirklich heiß werden kann. Bei der Kühlung setzen sie dann wie die Hornissen auf eine Kombination aus Belüften und Befeuchten. Nur die isolierende Außenwand fehlt ihnen. Bei den Feldwespen sind die Brutkammern ungeschützt, während die Hornissen sie mit luftgefüllten Kammern umgeben.

Insekten, die an kühlere Habitate gewöhnt sind, beherrschen die Wasserkühlung eher nicht. Hummeln kommen zum Beispiel auch in Höhenlagen vor, und unsere Hummeln habe ich noch nie am Teich Wasser holen gesehen. Im wärmeren Mittelmeerraum wird dafür auf die Luftkühlung verzichtet. Dort stecken die Feldwespen während der Hitzephasen einfach nur die Köpfe in feuchte Waben. Das kann aber auch damit zusammen hängen, dass sie ihre Nester von vornherein schattig anlegen und die weiter weg gelegene Luft eher wärmer wäre.


Webtipp:

Helmut Kovac, Helmut Käfer, Iacopo Petrocelli, Anton Stabentheiner: Comparison of thermal traits of Polistes dominula and Polistes gallicus, two European paper wasps with strongly differing distribution ranges, in: Journal of Comparative Physiology B (2017)

https://link.springer.com/content/pdf/10.1007%2Fs00360-016-1041-x.pdf

Der Artikel vergleicht zwei Feldwespenarten miteinander. Beide stammen ursprünglich aus dem Mittelmeerraum. Die Französische Feldwespe hat sich mittlerweile bis nach Dänemark ausgebreitet, während Polistes gallicus weiterhin nur in Südeuropa beheimatet ist. Beide haben unterschiedliche Temperaturpräferenzen und verschiedene Strategien bei der Nestkühlung. Polistes gallicus bevorzugt zum Beispiel Standorte mit Morgensonne, die ab Mittag beschattet sind. Der Wärmehaushalt am Nest allein erklärt aber nicht, warum die eine Art bei ihrer Ausbreitung nach Norden erfolgreich war, während die andere in der Mittelmeerregion verblieben ist. Die Autoren vermuten, dass es auch entscheidend ist, wie resistent die überwinternden Königinnen gegenüber starkem Frost sind.

16 Kommentare zu „Luft- und Wasserkühlung

    1. Angeblich nimmt die Zahl der Insektenarten von Süden nach Norden ab. Viele Arten wandern auch erst nach Norden ein. Ich glaube, bei den Hornissen ist es so wie bei den Feldwespen, dass ihr ursprüngliches Verbreitungsgebiet der Mittelmeerraum ist. Vielleicht schwankt ihr Auftreten deshalb bei euch eher von Jahr zu Jahr. Und Wasser brauchen sie auch. Bei uns waren die Sommer nicht so trocken.
      Liebe Grüße, Richard

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    1. Guten Morgen Nati,
      das war für die Hornisse sicher auch ein Schreck, dass ihr Sitzplatz beweglich ist. Aber wie du siehst, hat sie dir nichts getan.
      In der Wikipedia steht, sie verteidigen ihr Nest. Das kann ich aber nicht bestätigen. Ich habe Ihnen die Kamera vor die Nase gehalten, und sie haben mich nicht attackiert. Ich war aber auch vorsichtig. Vor dem tiefen Brummen hat man schon Respekt.
      Liebe Grüße, Richard

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  1. Oh, Hornissen sind hier im Garten ein paar Kilometer von der Ostseeküste auch seit vielen Jahren regelmäßige Gäste (hier stehen ein paar langsam zerfallende Obstbaumstammstücke in einer Ecke, die häufig und gern als Materialspender angeflogen werden). Und eine gern erzählte Camping- und Radtourgeschichte meiner Schwester handelt von einer Schwedentour von vor rund 25 Jahrem, als ein örtliches Holzklohäuschen (denk an Petterson und Findus) sich nach dem Hinsetzen als innen über der Tür von Hornissen besiedelt herausstellte. Ging aber gut aus. – Hummeln/Erdhummeln verteidigen auf jeden Fall ihr Nest; da sind Stiche vorprogrammiert, wenn man nicht auf der Hut ist.

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    1. Gute Geschichte. Das kann auch sch…lecht ausgehen. Vielleicht haben Hornissen ein Faible für solche Toilettenkonstruktionen. In der Nähe von Langenlois im unteren Kamptal war ich vor Jahren einmal wandern. Da war bei so einem Holzklo ein riesiges Hornissennest. Das Klo war aber amtlich gesperrt mit dem Hinweis, dass die Tiere unter Naturschutz stehen. Daneben stand als Ersatz ein mobiles Plastikhäuschen.

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  2. Vergangenes Jahr hatte ich ein Nest in der Eiche, aber da sie mie dasselbe Nest noch einmal verwenden, weiss ich nicht, wo in diesem Jahr ein Volk genistet haben könnte, und auch nie mehr als eine einzelne jagende Hornisse im Garten gesehen. Mein Eindruck ist, dass die Wespenjägerinnen in diesem Sommer und Herbst ein grosses Nahrungsproblem hatten und noch haben, denn die achsolästigen Wespen sind ebensowenig vorort, weniger, als ich es je erlebt habe.
    Das Verteidigen des Nestes habe ich auch nicht erlebt, obwohl unser Gartengeräteschuppen direkt neben dem Nest stand, aber ob einem das begegnet oder nicht mag auch daran liegen, ob man Rücksicht nimmt und sich langsamer bewegt, auch beim Fotografieren aus der Nähe, oder deren Bedürfnisse ignoriert.
    Abgesehen davon hatte ich den Eindruck, dass Hornissen mit ihrem feinen Geruchssinn unsereinen individuell wahrnehmen kann und kennenlernt, wenn man das ganze Jahr über gemeinsam lebt.

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    1. Es kann leicht sein, dass sie sich an uns gewöhnen. Sie fliegen ja im Garten immer wieder an einem vorbei.
      Ich habe gelesen, dass sie alte Plätze mehrfach verwenden, wenn die Höhlung groß genug ist, nur das alte Nest wird nicht weitergebaut. Man kann es im Winter entfernen (wird in einer Eichenhöhle schwer gehen) und ein paar Reste zurück lassen. Das sollte sie anziehen. Gilt bei Bienen mit Wabenresten auch.
      Allzu viele Wespen haben wir übrigens auch nicht. Hauptsächlich Feldwespen, und die trinken immer recht friedlich mit den Hornissen nebeneinander am Teich. Aber sicher ist es das Aufzuchtfutter, das die Hornissenzahl begrenzt. Und allzu trocken sollte es im Sommer vielleicht auch nicht sein.

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      1. Dieses Jahr war ein Starenpärchen anscheined mit dem alten Hornissennest in der Höhle als zusätzlichen Einbau sehr zufrieden, denn im vorigen Jahr hatten sie zwar – vor den Hornissen – diese Höhle nur angetestet, aber nicht zufriedenstellend gefunden.

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      2. Es gibt halt für solche Wohngelegenheiten immer Vor- und Nachmieter. Ich glaube auch, viele Arten wollen gar nicht wo einziehen, wo nicht vorher schon andere waren.

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